Als es in Eurasien eisig wurde, brach allerorten Chaos aus

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War eine bisher übersehene Kaltzeit die Ursache vieler Verwerfungen?

Ab der Mitte des 6. Jahrhunderts ging es in Eurasien drunter und drüber: Im Westen wütete erstmals die Pest, die Julianische, von 541 bis 543, auch ganz neue Völkerschaften marschierten auf, die Slawen und die Awaren, Letztere ließen sich im heutigen Ungarn nieder und brachten die früheren Bewohner, die Langobarden, ins Wandern, sie eroberten ab 568 halb Italien. Ganz im Osten war es nicht anders, erst drangen Steppenvölker in China ein, dann, um 620, kamen gar Türken und errichteten eine Osttürkei, sie zerfiel zehn Jahre darauf wieder.

Auch in der Mitte wurde gekämpft, Ostrom brachte gemeinsam mit Steppenvölkern 627 das Reich der Sassaniden in Persien ins Wanken, endgültig zum Sturz kam es durch Araber, die aus dem Süden nachdrängten und sich von dort auch nach Westen wandten. Was stand hinter all dem? Möglicherweise ein Klimawandel – hin zur Kälte –, dessen räumliches Ausmaß bisher der Aufmerksamkeit entgangen ist. Zwar wusste man schon von Baumringen in den Alpen, dass es kühler geworden war. Aber nun hat Ulf Büntgen (Bern) das gleiche Phänomen im Altai bemerkt, und dort, mitten in der Landmasse, zeigte es sich stärker als in den Alpen, wo das nahe Meer die Abkühlung dämpfte.

Büntgen nennt diese Zeit von 536 bis 660 die „kleine Eiszeit der Antike“ – nicht zu verwechseln mit der späteren „kleinen Eiszeit“ –, er hat in Eisbohrkernen auch mögliche Auslöser identifiziert, drei riesige Vulkanausbrüche in den Jahren 536, 540 und 547 (Nature Geoscience 8. 2.). Die brachten dem Norden Kälte und Hunger, dem Süden hingegen reichen Regen: Der nährte Kampf- und Transportkamele der Araber in großer Zahl. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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