Anthropologie: Quell des Menschen?

(C) Lee Berger/ University of Witwatersrand
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Schon ein Australopithecus hatte einen schwachen Kauapparat. Haben wir unseren von ihm?

In einer weitverzweigten Karsthöhle in Südafrika fanden sich 2008 die fast vollständig erhaltenen Skelette von zwei winzigen Menschlein – zu Lebzeiten waren sie 127 Zentimeter groß und 30 Kilo schwer –, die vor 1,9 Millionen Jahren zu Tode gekommen waren. Der Ausgräber, Lee Berger (Johannesburg), nannte sie Australopithecus sediba. Australopithecus ist der „südliche Affe“ – man kannte ihn auch schon andernorts, seine Ikone ist Lucy, und sediba bedeutet in der lokalen Se-Sotho-Sprache „Quelle“.

Der Beiname ist zweideutig: Zum einen hatten die beiden wohl in der Höhle Wasser gesucht, zum anderen hatten sie eine Besonderheit, die sie von anderen Australopithecus unterschied: Ihre Hände waren relativ grazil und geschickt. Im Kiefer und Gebiss hingegen glichen sie anderen Vormenschen, die Kiefer zeigten sich dem äußerlichen Blick kräftig, und auf und in den Zähnen fanden sich Spuren von harter Kost, vielleicht sogar Baumrinde, davon waren die Zähne zerkratzt, davon zeugten Phytoliten – kleine Steinchen, die Pflanzen einlagern, um sich gegen das Gefressenwerden zu schützen – im Zahnstein.

Aber das kann allenfalls die halbe Wahrheit gewesen sein. Denn nun hat eine internationale Gruppe um Berger, zu der Gerhard Weber (Uni Wien) zählt, sich den Kiefer genauer angesehen, mit Methoden der Computersimulation, die Weber mit vorangetrieben hat. Diese zeigen mehr, als das bloße Auge sieht: Allzu hart kann die Kost nicht gewesen sein, sonst hätte A. sediba sich den Kiefer ausgerenkt (Nature Communications 8. 2.).

Geschickte Hand und schwacher Kiefer

Das unterstützt den Verdacht, der in der Doppeldeutigkeit des Beinamens liegt: Vielleicht war A. sediba der Quell des Menschen (Nature Communications 8. 2.). „Wir haben einen relativ kleinen Kauapparat“, erklärt Weber, und wenn A. sediba ihn auch hatte, passt das gut zu den geschickten Händen: Vielleicht öffnete er Nüsse etc. mit Werkzeugen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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