Räubergebell rettet Ökosystem

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SLOVAKIA-ANIMALS-DOG-EUROPEAN-SLED(c) APA/AFP/SAMUEL KUBANI
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Mit der Furcht, die sie verbreiten, beeinflussen Räuber das Verhalten der potenziellen Beute. Die frisst dann seltener – und weniger.

Werden Ökosysteme von unten nach oben aufgebaut, „bottom-up“, oder wird von oben dafür gesorgt, „top down“, dass alles im Lot bleibt? Lange war Ersteres selbstverständlich, dann kam 1960 die „Hypothese der grünen Welt“: Deren Farbe sei den Raubtieren zu danken, die dafür sorgen, dass die Pflanzenfresser nicht jeden Halm verzehren. Später wurde sie um ein zweites „Ökosystem-Service“ der großen Jäger ergänzt: Die sind auch hinter kleineren Jägern her und verhindern deren Übernutzung der Ressourcen.

Ohne Jäger keine Pflanzen

Teilweise hat sich das bestätigt, etwa in einem unbeabsichtigten Megaexperiment: 2001 wurde in Venezuela ein Fluss eingestaut, bald ragten nur noch Inselchen heraus. Die wurden ein Paradies für kleine Nager und Leguane, denn die großen Räuber wanderten ab. Aber in kurzer Zeit war auch alles Grün weg. Andere Fälle sind umstrittener, vor allem das Musterbeispiel ist es, das vom Yellowstone-Nationalpark und seinen Wölfen: Als die abgeschossen waren, hielt ihre bevorzugte Beute – Hirsche – die Eschen so kurz, dass die Flussufer nicht mehr von ihnen stabilisiert wurden. Seit sie wieder da sind, wendet sich alles zum Guten. Ob und wie weit das wahr ist, ist aber nicht klar.

Sicher ist hingegen, dass ein Räuber seine Beute gar nicht schlagen muss, um Wirkung zu erzielen: Die Furcht, die ihm vorauseilt, genügt, potenzielle Beute frisst dann weniger – das weiß man von Pflanzenfressern – und vermehrt sich weniger: Spatzen, denen man im Freiluftexperiment Schreie von Raubvögeln vom Band vorspielte, legten 40 Prozent weniger Eier (Science 334, S. 1398).

Nun hat Justin Suraci (University of Victoria) Vergleichbares bei kleinen Räubern gezeigt, auf kleinen Inseln Kanadas. Die großen, Wölfe und Bären, wurden schon lang ausgerottet, Waschbären machten sich breit, sie haben nur noch, regional und periodisch, einen größeren zu fürchten, den Hund.

Mit dessen Gebell – und zur Kontrolle mit dem von Robben – hat Suraci Küsten beschallt, an denen Waschbären hinter Meeresgetier her sind. Das Hundegebell machte sie vorsichtig, sie verbrachten 66 Prozent weniger Zeit auf der Jagd, entsprechend geringer wurde die Beute, vor allem die an Krabben, die sich nun wieder verstärkt über ihre Beute her machten (Nature Communications 23. 2.): „Unser Befund bestätigt die Notwendigkeit, große Räuber zu schützen, da die Furcht vor ihnen signifikanten Nutzen bringt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2016)

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