Frösche werden Sex-Zombies

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Ein Pilz, der weltweit die Amphibien dezimiert, verbreitet sich durch Manipulation der Wirte: Befallene Männchen werben kräftiger.

Seit Ende der Achtzigerjahre verstummt erdweit das Quaken, ein Massensterben rafft die einst 6300 Amphibienarten dahin, Hunderte sind schon verschwunden. Anfang der Neunziger bemerkte man, woran das liegt: Ein Pilz, der sich auf die Haut setzt und sich von ihr nährt, bringt den Tod, Batrachochytrium dendrobatidis. Er stammt aus dem südlichen Afrika und kam mit Krallenfröschen um die Welt, die wurden einst zu Tausenden exportiert, an ihnen wurden seit den 1930er-Jahren Schwangerschaftstests durchgeführt.

Die Krallenfrösche können mit dem Pilz leben, die meisten anderen Amphibien können es nicht, und irgendwann entkamen Pilze aus Labors. Und breiteten sich aus, sehr rasch, in Südamerika etwa mit 26 Kilometern pro Jahr. Möglicherweise gelingt B. dendrobatidis das, weil er das Verhalten befallener Tiere manipuliert. Das tun viele Parasiten, bekanntestes Beispiel ist Toxoplasma gondii, ein Einzeller, der zwischen zwei Wirten pendelt, Katzen und Nagetieren, Ratten etwa. In die kommt er, wenn sie von Katzenkot naschen, dann wandert er in das Rattengehirn und steuert dort alles um: Er nimmt den Ratten ihre größte Furcht, die vor Katzenurin, sie werden nun davon angezogen.

Menschen werden auch befallen, sie haben gottlob keine Katzen zu fürchten, nicht mehr, frühe Ahnen waren von Leoparden bedroht, Schimpansen sind es heute noch. Und sie werden manipuliert: Ein Experiment hat gerade gezeigt, dass Toxoplasma sie gern an Leopardenurin schnüffeln lässt, auch die molekularen Zusammenhänge des Umsteuerns sind bekannt (Current Biology 8. 2.).

Stimmstärke trotz Körperschwäche

Wie der Pilz auf Amphibien wirkt, ist im Detail nicht klar. Aber dass er es tut, hat Bruce Waldman (Seoul) gezeigt, an Japanischen Baumfröschen, sie können mit dem Pilz leben, werden aber schwächer. Trotzdem heben befallene Männchen die Stimmen, werben lauter und ausdauernder – mit mehr Erfolg (Biology Letters 2. 3.). Ryan vermutet, dass eine Manipulation am Werk ist, die die Amphibien in Sex-Zombies verwandelt und so den Pilz rascher und weiter verbreitet. Es könnte sich allerdings auch einfacher um „terminal reproductive investment“ handeln: Viele Tiere, die den Tod nahen fühlen, investieren die letzten Kräfte in Reproduktion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2016)

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