Forschen, damit der Stromzähler kein Spion ist

Sicherheit. Datenverkehr bildet das Rückgrat der intelligenten Stromnetze der Zukunft. Forscher der FH Salzburg arbeiten daran, dass Smart Grids dem Umweltschutz dienen, ohne die Privatsphäre der Konsumenten auszuhöhlen.

Wer Samstagnacht allein auf der Couch liegt und fernschaut, der geht davon aus, dass ihm niemand dabei über die Schulter schaut. Es geht schließlich keinen etwas an, wann der Fernseher läuft und schon gar nicht, ob gerade Hochkultur, Sport oder eher seichte Unterhaltung über die Mattscheibe flimmert. Oder noch Privateres.

Seit es aber sogenannte Smart Meter gibt, intelligente Stromzähler mit Anschluss zum Netzbetreiber, gibt es auch Befürchtungen über mögliche Missbrauchszenarien. Dass unter bestimmten Umständen ein Rückschluss vom Stromverbrauchsprofil des TV-Geräts auf das gezeigte Programm möglich ist, haben Forscher der FH Münster im Laborversuch gezeigt. Auch potenzielle Einbrecher könnten sich für niedrige, Urlaubszeiten entlarvende Verbrauchsdaten interessieren.

Dominik Engel und sein Forscherteam wollen diesen Ängsten auf den Grund gehen und sie mit technischen Lösungen zerstreuen. Als Leiter des Josef-Ressel-Zentrums für Anwenderorientierte Smart Grid Privacy, Sicherheit und Steuerung an der FH Salzburg ist der Schutz der Privatsphäre im Stromnetz einer seiner Arbeitsschwerpunkte „Wir erheben zum einen, welche Ängste die Bürger haben. Und zum anderen, was man aus den Stromverbrauchsdaten tatsächlich herauslesen kann.“ Doch warum sollen durchs Stromnetz überhaupt Daten fließen? Der Grund liegt im Bekenntnis zu erneuerbaren Energien. Wind und Sonne lassen sich nämlich nur bedingt zentral organisieren wie Kohle- oder Atomkraftwerke. Deshalb muss das Netz dezentral umstrukturiert werden, das macht eine intelligente Steuerung notwendig.

„Die Grundidee von Smart Grids ist: Erzeuger und Verbraucher miteinander zu vernetzen, um zum gegebenen Zeitpunkt zu sehen, wo gerade wie viel Strom erzeugt oder verbraucht wird“, sagt Engel. So kann das Zusammenspiel von Speichern und Transportwegen besser koordiniert und überwacht werden. Im Idealfall würden etwa die Wärmepumpe oder das Ladegerät fürs Elektroauto in der Nacht automatisch anspringen. Genau dann, wenn irgendwo Wind aufkommt oder andere Verbraucher in den Schlafmodus gehen.

Strom fließt in alle Richtungen

Im intelligenten Netz fließt der Strom in alle Richtungen. Es ist gespickt mit einer Vielzahl an Sensoren, etwa an lokalen Trafo-Stationen, die helfen, Produktion und Verbrauch fortlaufend und in Echtzeit zu koordinieren. „Smart Meter sind nur ein kleiner Teil der Smart Grids, bekommen aber einen großen Teil der Aufmerksamkeit“, so Engel, der mit seiner Forschung auch zur Versachlichung der Debatte beitragen möchte.

So dürfe der Stromverbrauch im Privathaushalt nur im Viertelstundentakt aufgezeichnet und einmal täglich 96 Einzelwerte an den Netzbetreiber übermittelt werden. Allein, dass nicht alle zwei Sekunden aufgezeichnet werde, mache ein Ausspionieren des TV-Programms unmöglich. Intelligente Stromzähler dienen durch ihre Rückmeldung im Nachhinein der längerfristigen Prognose und geben dem Netzbetreiber Infos über den Zustand des Netzes.

Mit „harten Verschlüsselungs-Algorithmen“ werde ein Maß an Sicherheit erreicht, das die Vorteile überwiegen lässt. Ähnlich wie beim weithin akzeptierten Online-Banking. „Wir können beides haben: Daten- und Umweltschutz!“

LEXIKON

Smart Grids. Die Energieversorgung der Zukunft entwickelt sich weg von der Einbahnstraße mit einem großen Kraftwerk, von dem der Strom in eine Richtung zu vielen kleinen Verbrauchern fließt, hin zu einem echten, intelligenten Netz (Smart Grid), in dem viele Konsumenten gleichzeitig Produzenten („Prosumer“) sind. Sie erzeugen ihren eigenen Strom, geben Überschüsse ab oder decken Zusatzbedarf aus dem Netz. Der Strom fließt in alle Richtungen. Smart Meter sind intelligente Stromzähler, die den Verbrauch aufzeichnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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