Reiche Buchmalerei für die Ewigkeit

Bundespr�sident Fischer schenkt der �sterreichischen Nationalbibliothek wertvolles Faksimile
Bundespr�sident Fischer schenkt der �sterreichischen Nationalbibliothek wertvolles Faksimile(c) �sterreichische Nationalbiblioth (�sterreichische Nationalbiblioth)
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Buchkunst.Die Uni-Bibliothek Graz beherbergt spätmittelalterliche Handschriften aus Italien, Frankreich und Böhmen. Viele davon sind reich illuminiert und daher Forschungsobjekte.

Es sprach der Vater zum Sohn: Gehe nach Paris oder Bologna, und ich werde dir jährlich hundert Pfund schicken. Was aber macht dieser: Er ging nach Paris und ließ seine Bücher mit Drolerien und goldenen Buchstaben ausstatten.“ (Odofredus von Bologna, gestorben 1265).

Nicht nur für einen jungen Mann aus wohlhabendem Haus waren reich illuminierte Handschriften, wie sie in Italien und Frankreich in großer Zahl entstanden, verführerisch. Auch die Mönche in den steirisch-kärntnerischen Klöstern bemühten sich um den Besitz solcher Bücher. Mit der Überführung ihrer Bibliotheken in öffentlichen Besitz gelangten einige besonders schön ausgestattete Exemplare in die Grazer Universitätsbibliothek. Sie tragen, gemeinsam mit den Geschenken aus der erzherzoglichen Bibliothek, zur Weltgeltung dieser Sammlung bei.

Die Universität Graz beherbergt die zweitgrößte Handschriftensammlung Österreichs. Christine Beier, Kunsthistorikerin der Universität Wien, nimmt diese gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin in einem vom Wissenschaftsfonds (FWF) finanzierten Projekt unter die Lupe. Sie will vor allem den genauen Herkunftsort und das Entstehungsdatum der ausgemalten spätmittelalterlichen Bücher rekonstruieren.

Der Glanz des Goldes

Am Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts erreichte der Buchimport aus Italien und Frankreich seinen Höhepunkt, während aus Böhmen und Mähren über längere Zeit immer wieder einzelne Handschriften in die Steiermark und nach Kärnten gelangten. Die Grazer Universität nennt über 100 importierte Werke ihr Eigen. Viele der Handschriften sind von aufgelösten Klöstern in den Bestand der Universität übergegangen. Einige dieser 100 bis 500 Blätter dicken Bücher sind prächtig illuminiert, also mit Ornamenten, hervorgehobenen Wörtern, Figuren, bemalten Randleisten, verzierten Initialen und vergoldeten Buchstaben ausgestattet.

Der Begriff „Illumination“ geht auf das Wort Erleuchtung zurück, was vor allem mit der Farbe Gold zum Ausdruck gebracht wurde. Die Buchmalerei war mehr als reine Verzierung: Gerade liturgische Handschriften sind in der Regel am prächtigsten illuminiert. Damit trug das Buch zur Feierlichkeit der Messe bei. Wohlhabende Geistliche ließen schöne, repräsentative Bücher anfertigen: In wirtschaftlich guten Zeiten ließ sich so manches Kloster ein solides, glanzvolles Buch für die Ewigkeit gestalten. Doch die Buchmaler, die ihr Handwerk gerade in Universitätsstädten wie Paris, Bologna oder Prag ausübten, verzierten auch Rechtstexte. Es wäre möglich, dass der Buchschmuck hier ein implizites Versprechen war, dass der Text im Umfeld einer angesehenen Universität entstand: Wenn man etwa zwei oder drei Bücher aus Bologna gesehen hat, erkennt man diese immer wieder. Die Ausstattung wurde zum Echtheitszertifikat.

Buchmode aus Italien

Gerade die Handschriften aus Italien gehörten im 14. Jahrhundert zu den schönsten. Der Figurenstil war plastisch und hoch entwickelt. Ornamentsformen, die in Italien Mode waren, wurden anderswo adaptiert und nachgeahmt – auch in Österreich. Hier wird es für die Forschung interessant. Zum einen bietet der Zeitgeschmack den Kunsthistorikern einen Datierungsschlüssel. Zum anderen erkennen die Forscher wie Buchmalereien und Texte anderer Regionen in der Steiermark und Kärnten wahrgenommen wurden.

Die Menschen im Mittelalter wussten ganz genau, was in Europa wo vor sich ging. Juristen und Theologen hielten sich in Italien rund um die Universität Bologna und in Frankreich rund um die Sorbonne in Paris auf. Prag, Kaisersitz des Heiligen Römischen Reiches und ab 1348 Sitz der ältesten Universität Mitteleuropas, erlebte ebenfalls einen Aufschwung in der Handschriftenerzeugung. Genau an diesen Orten entstanden frühe arbeitsteilige Massenproduktionen: Die Textvorlagen wurden in Einzelblätter zerlegt. Mehrere Schreiber kopierten dann das Geschriebene, und mehrere Buchmaler illuminierten die Werke.

Wie lange ein Buchmaler pro Seite brauchte, hing vom Umfang der Ausstattung ab. Geübte Maler konnten Ornamente in wenigen Minuten zeichnen. Für ganzseitige Miniaturen benötigten sie wohl einen bis mehrere Tage. In jedem Fall sind die Bücher keine Einzelleistungen. Es gab Spezialisten für Ornamente, Figuren, Ränder, Initialen und Vergoldungen.

LEXIKON

Die Illumination ist der malerische Schmuck eines Buches und reicht von Figuren bis hin zu Ornamenten an den Buchrändern. Die Funktion der verzierten Handschriften im Mittelalter war vielschichtig: Manche Bücher waren ganz von Bildern mit wenigen Bildunterschriften oder Spruchbändern im Text dominiert – ähnlich wie bei Comics. Bilder sollten zu einem anderen Denken anregen, als Texte das vermochten. Die Interpretation und die Symbolik waren dabei oft sehr anspruchsvoll und konnten an das Niveau von Geschriebenem heran- und darüber hinausreichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2016)

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