Ein Gen bringt auch Mäuse zum Stottern

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Manche Menschen mit dem Sprechproblem haben ein defektes Gen. Bei Mäusen erkundet man es nun.

Auch Mäuse kommunizieren, doch, sie tun es in höchsten Tönen, wir hören es nur nicht, eben weil sie es in höchsten Tönen tun, im Ultraschall: In dem rufen Junge, wenn sie lang von ihren Müttern getrennt sind, aber auch Erwachsene tun es, wenn sie einander begegnen und wenn sie einander umwerben. Hat das irgendetwas mit unserem Sprechen zu tun? „Sprechen ist eine einzigartige Eigenschaft des Menschen“, erklärt Tim Holy (St. Louis): „Aber seine Muster sind aus vielen einfachen Blöcken gebaut: Man muss etwa das Timing des Atmens kontrollieren und die feinen Muskeln in Zunge und Mund.“

Das gelingt manchen Menschen nicht, etwa ein Prozent bringt den Sprachfluss schwer über die Lippen, es sind mehr Männer als Frauen. Warum das so ist, weiß man nicht, und was es ist bzw. wo es herkommt – das Stottern – weiß man auch nicht, man vermutet psychische Ursachen, auch die Erziehung mag mitspielen. Und in neun bis 16 Prozent ist eine Mutation dabei, die des Gens GNtab.

Gestörter Sprachfluss

Funktionen und Fehlfunktionen von Genen erkundet man gern an Mäusen, deshalb hat Holy die Mutante auf sie übertragen und sie dann belauscht, vor allem ganz junge, die nach ihren Müttern riefen: Ihr Sprachfluss ist gestört, wie der von stotternden Menschen, sie legen etwa zwischen den Silben längere Pausen ein, sie wiederholen auch einzelne Silben häufiger. Holy hat diese Muster in einem Algorithmus zusammengefasst: Er passt exakt zum menschlichen Stottern. In ihrem übrigen Verhalten sind die Mäuse völlig normal, so wie es auch stotternde Menschen sind (Current Biology, 14. 4.).

Und was ist das nun für ein Gen? Ein höchst rätselhaftes, es hat auf den ersten Blick überhaupt nichts mit dem Sprechen zu tun, ganz anders als Foxp2, das man auch an Menschen entdeckt und dann an Mäusen erkundet hat: Es spielt Grammatik und Motorik mit. GNtab hingegen ist ein schlichtes „housekeeping gene“, eines, das in Zellen Müll entsorgt. „Es ist ein bisschen verrückt, dass ein so generelles Gen bei so etwas Spezifischem mitspielt wie dem Stottern“, schließt Holy. Er vermutet, dass GNtab auch bisher noch unbekannte Funktionen hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2016)

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