Erste Nacht im fremden Bett? Das Hirn wacht!

Schlafende Frau
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In ungewohnter Umgebung bleibt ein Teil des Gehirns im Schlaf aktiv, vermutlich aus Vorsicht.

„Wenn man das Kissen ändert, kann man nicht schlafen.“ Das sagt man in Japan, berichtet Yuka Sasaki, sie kennt sich aus mit der Nachtruhe, ist Schlafforscherin an der Brown University in Providence. Aber Laien wissen es auch: Auf Reisen nimmt man gern ein Kissen mit. Nur die Schlafforscher fordern ihre Testpersonen erstaunlicherweise nicht auf, eines mit ins Labor zu bringen, dabei wissen sie genau, dass man in einem fremden Bett in der ersten Nacht schlecht schläft: First-night-effect heißt das, und der Schlaf in der ersten Nacht geht in die Befunde nicht ein, die Experimentatoren halten erst ab der zweiten Nacht die Augen offen.

Die Testpersonen hingegen bekommen sie eben in der ersten Nacht kaum zu, und wenn sie es endlich doch geschafft haben, bleibt das halbe Hirn halb wach. Das hat Sasaki bemerkt, als sie sich bei Probanden mit bildgebenden Verfahren auf die erste Nacht konzentriert hat: In einer ruhigen Phase eher zu Beginn des Schlafs bleibt in der linken Gehirnhälfte das Bewusstseinsnetzwerk (default-mode-network) aktiv (Current Biology 21. 6.).

Wale und Enten halten Auge offen

Ähnliches kennt man von Tieren: Meeressäuger halten im Schlaf immer ein Auge offen und die gegenüberliegende Hirnhälfte wach, Enten tun es auch, sie schlafen in Reihen, die Flügelenten halten das nach außen gerichtete Auge offen. Richtige Ruhe finden sie erst später, wenn sie zur Mitte rücken dürfen. Bei ihnen geht es in diesem unihemisphärischen Schlaf um das Bewachen, bei den Meeressäugern wohl um sozialen Zusammenhalt, vielleicht auch um das auch im Schlaf nötige Auftauchen zum Atemholen.

Und bei Menschen in der ersten Nacht in einem fremden Bett? Offenbar auch um Vorsicht: Bei Geräuschen, die in das rechte Ohr gespielt wurden, wurden diese Schläfer rascher wach. Aber warum ist nur das default-network aktiv, und warum nur links? Ersteres mag daran liegen, dass das Netzwerk im Wachzustand mit dem Tagträumen und dem Schweifenlassen von Gedanken zu tun hat: Es ist aktiv, wenn das restliche Gehirn es eher nicht ist. Aber warum nur links? Das mag am Design des Experiments liegen: Es überwachte nur den Beginn des Schlafs, vielleicht kommt später die rechte Gehirnhälfte an die Reihe. Die Klärung wird noch einige schlaflose Nächte fordern.

(Print-Ausgabe, 22.04.2016)

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