„Nicht weil, sondern obwohl man Frau ist“

Religion.Die Theologische Fakultät in Salzburg zeigt mit drei neuen Professorinnen Mut zur Weiblichkeit. Die neuen Forschungsschwerpunkte sind ganzheitliche Gesundheit und Wirtschaftsordnung sowie Spirituelle Theologie.

Es gibt eine globale Subkultur auf der Suche nach dem Sinn im Leben: die Weltzivilgesellschaft. „Was die Menschen über nationale und kulturelle Grenzen hinweg verbindet, sind Lifestyle, Kapitalismus und der Wunsch nach Achtsamkeit“, sagt die Religionswissenschaftlerin Anne Koch. Die Professorin für Religious Studies an der Theologischen Fakultät der Uni Salzburg geht von einem globalen Mittelstand aus, der eine eigene Form der Spiritualität entwickelt hat. Koch, die Philosophie, Religionspsychologie, politische Wissenschaft und Theologie studierte, erforschte nach ihrer Habilitation in Japan diese Weltzivilgesellschaft und neue spirituelle Formen.

Für ihre Forschung begleitete die 35-Jährige Menschen bei Yoga-Urlauben und Heilungsprozessen. Das Ergebnis war überraschend: Klassische Religionszugehörigkeiten oder Konfessionen spielen keine Rolle mehr, was zählt, sind Achtsamkeit, Yoga und der Wunsch nach Tiefe. Diese Erkenntnisse könnten auch den Kirchen in Europa helfen, sagt Koch: „Das Christentum kann Menschen auf ihrer Suche nach Heilung und Sinn unterstützen und individuelle Angebote setzen.“

Die Entzauberung der Kirche

Die Brücke zwischen Ökonomie und Theologie sieht Koch in neuen Wirtschafts- und Vermarktungsmöglichkeiten, wie dem Bestattungs-, Therapie- und Heilungsmarkt. „Egal, ob Schamane, Therapeut oder Bestatter, jeder wirbt um Kunden und verkauft Leistungen“, sagt die deutsche Wissenschaftlerin. Eine Schnittstelle zwischen Wirtschaft und katholischer Kirche ist für sie das Ehrenamt. Das sei zwar gratis, stelle aber eine unentgeltliche wirtschaftliche Arbeitsleistung dar, sagt Koch: „Auch wenn das den marktfreien Raum der Kirche entzaubert, aber Ökonomie, Sinn und Wohltätigkeit widersprechen sich nicht.“ Ihre Forschungszweige verbindet sie im kommenden Jahr im neuen Masterstudiengang Religious Studies, der Kenntnisse über zeitgenössische Religionen und spirituelle Formen vermittelt.

„Man wird nicht zur Professorin bestellt, weil man eine Frau ist, sondern obwohl man eine Frau ist“, sagt Koch. Sie ist eine von drei neuen Professorinnen an der Theologischen Fakultät in Salzburg. Angelika Walser, Kristin De Troyer und Koch folgten im Wintersemester 2015/16 auf ihre männlichen Vorgänger. Damit steht das Geschlechterverhältnis unter den Theologieprofessoren: vier Frauen zu neun Männern. Dass Frauen in der theologischen Forschung und Lehre immer mehr Platz erhalten, sieht auch Dekan Dietmar Winkler als ein „starkes Zeichen, dass nun auch in der Theologie ein Stück gesellschaftlicher Normalität eintritt“.

Theologinnen sind in Österreich noch immer unterrepräsentiert, besagt eine Recherche der Nachrichtenagentur Kathpress (sieh Lexikon). Eine der Neuen in Salzburg ist neben Koch und der Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaft, Kristin De Troyer, Angelika Walser. Die Professorin für Moraltheologie und Spirituelle Theologie kritisiert in der katholischen Kirche den Umgang mit Geschlecht und Sexualität.

„Die Geschlechtermoral der Kirche ist überholungsbedürftig, genauso wie der Umgang mit der Kategorie Gender. Die Kernfrage der Kirche wird sein, wie viel Pluralismus sie zulässt,“ sagt Walser.

LEXIKON

Frauen in der Theologie. An der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien sind vier der 14 Professuren weiblich besetzt. Die Katholische Privat-Universität Linz beschäftigt aktuell drei Universitätsprofessorinnen von insgesamt elf Professuren. Etwas hinterher hinkt die Theologische Fakultät Innsbruck im „heiligen Land Tirol“: Dort gibt es unter den 13 Professorenstellen keine einzige Frau. Besser sieht es auf der Katholisch-Theologischen Fakultät in Graz aus, dort sind zumindest zwei der zwölf Professuren mit Frauen besetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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