Von Sex, Huren und Madonnen

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Prostituierte organisierten sich ab den 1970er -Jahren, um gesetzlich und öffentlich gehört zu werden – nicht ohne anzuecken, wie das Buch „Die Hurenbewegung“ zeigt.

In Linz beginnt's, auch die österreichische Hurenbewegung. Sexarbeiterinnen schlossen sich 1986 in Oberösterreich zusammen und gründeten den Verband der Prostituierten Österreichs. Auslöser für ihre hierzulande erstmalige Selbstorganisation war, dass der Gesetzgeber rückwirkend Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuern einhob. Das war für viele Tätige finanziell kaum bewältigbar. Sie gründeten die Zeitschrift „Horizontal“ und gingen mit ihren Anliegen in die Öffentlichkeit, die sie wegen des medialen Interesses auch umgehend wahrnahm.

International versuchten Sexarbeiter beiderlei Geschlechts seit dem Beginn der 1970er-Jahre Gehör zu finden, in Deutschland und Österreich seit dem Ende dieser Dekade. Damals wie heute ging es ihnen darum, bei Gesetzesentwürfen mitzureden, aber vor allem um die gesellschaftliche Anerkennung ihres Berufes. Welche Debatten ihre provokanten Aussagen und Forderungen auslösten, analysierte Almuth Waldenberger, Dissertantin an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien, in ihrem im LIT-Verlag erschienenen Buch „Die Hurenbewegung“ (288 Seiten, 29,90 Euro).

Die Wuchteln der Huren

Abgesehen von den rechtlichen Ansprüchen geht es den Sexarbeiterinnen seit jeher um die Anerkennung des „Gesellschaftsphänomens Prostitution“, sagt Waldenberger. Die Huren, wie sie sich selbst bezeichnen, streichen die Gleichartigkeit ihres Berufes mit anderen heraus, der nicht monströs oder abartig sei. Sie machen das mit „wahnsinnig charmanten und polemischen Aussagen, bei denen sie Wuchteln zu ihren ernsten Anliegen raushauen“, sagt die Forscherin. Beispiele: „Zwangsprostitution gibt es nicht“ oder „Zuhälter sind Privatsache“.

Das bedarf näherer Erklärungen. Der erste Slogan soll etwa zeigen, dass es in der Sexarbeit nicht um Ausbeutung, Zwang und sexuelle Sklaverei gehe, sondern dass es sich um einen normalen Beruf handle: „Es gibt ja auch keine Zwangsbäcker“, sagt Waldenberger. Das soll nicht verschleiern, dass Derartiges existiert. Dafür braucht es aber keine Sonderbestimmungen, denn für Zwangsarbeit, serielle Vergewaltigung und sexuelle Ausbeutung gibt es Gesetze. Für den Schutz der freiwilligen Sexarbeiterinnen gibt es diese jedoch nicht ausreichend.

Der zweite Satz verweist darauf, dass jede Frau, auch Prostituierte, selbst entscheiden könne, mit wem sie zusammenleben wolle und wem sie ihr Geld gebe. Er zielt auf die Mündigkeit der Sexarbeiterinnen ab, die ihren Zuhälter, wenn dieser sie schlecht behandelt, durchaus verlassen können.

Gute und schlechte Frauen

Derlei Aussagen ecken an, erregen aber Aufmerksamkeit. Darum ging es den Sexarbeiterinnen und darauf legte Waldenberger auch den Fokus in ihrem Buch. Sie las Monografien, Sammelbände, Zeitungen, Zeitschriften und Interviews über die öffentlichen Diskurse, die die Hurenbewegung seit den 1970er-Jahren in Deutschland und Österreich mitgestaltete.

Eines arbeitete die Forscherin klar heraus: Frauen wurden in der Gesellschaft in Gute und Schlechte – in Huren und Madonnen – eingeteilt: „Prostituierte dienen als Abschreckungsmoment für normale, anständige Frauen und werden daher schlechter behandelt“, sagt Waldenberger. Das kam im Diskurs oft vor und wurde von den Sexarbeiterinnen angeprangert. Überrascht war die Kulturwissenschaftlerin darüber, dass die vielen kleinen Initiativen eng miteinander kooperierten. Die Prostituierten in Österreich und Deutschland schafften es immer wieder, sich zu einigen und einen „Bewegungs-Mainstream“ zu kreieren.

Die Hurenbewegung war erfolgreich. Die Stigmatisierungen sind weniger stark als zu Beginn der Bewegung. Die Prostituierten sind seit den 1990er-Jahren in Österreich sozialversichert: „Die Gesellschaft liberalisierte sich auch wegen der Initiativen der Hurenbewegung“, sagt Waldenberger.

Sexarbeiter kämpfen für Freier

Davon profitierten auch die Freier. Prostituierte kämpfen dafür, dass diese als Männer wahrgenommen werden, die bei Frauen nachfragen, die „Sex seriös und professionell anbieten“. Der „Berufsverband erotischer und sexueller Dienstleistungen“ plädiert seit 2013 gegen die von der EU geplanten europaweiten Freierbestrafungen.

LEXIKON

Daten über Sexarbeiter gibt es keine zuverlässigen. Einige werden zwar registriert, aber nicht alle. Eine Zahl, die genaue Aufschlüsselungen zulässt, ist daher nicht eruierbar. Als sicher gilt, dass Personen aus allen Gesellschaftsschichten Sexarbeit betreiben. Gemein ist ihnen, dass sie in einer Sparte tätig sind, in der sie mehr verdienen als in dem Beruf, den sie erlernt oder studiert haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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