Um Bestäuber anzulocken oder schädliche Blütenbesucher abzuwehren, verfügen Pflanzen über einen Cocktail an Düften. Salzburger Biologen zeigen, dass die Düfte ein wichtiger Baustein für die Artenvielfalt in einem Ökosystem sind.
Im Frühling, wenn auf einer Wiese viele bunte Blumen blühen, herrscht Konkurrenz unter den Blüten. Schließlich gilt es, im zur Verfügungen stehenden Zeitfenster einen passenden Bestäuber anzulocken. Wer glaubt, dass die Blüten in ihrer Schönheit einfach abwarten, ob das passende Insekt mit dem passenden Pollen vorbeikommt, der irrt.
Die Pflanzen haben im Lauf der Evolution eine ganze Reihe von Strategien entwickelt, um das Bestäuben nicht dem Zufall zu überlassen. Der Duft dürfte dabei eine weit größere Rolle spielen, als man bisher gedacht hat. Mit einem ganzen Duftcocktail senden Blüten Signale aus, die Bestäuber anlocken, Feinde abschrecken oder das Wachstum von bestimmten Bakterien fördern oder hemmen. In einer Netzwerkstudie hat Robert R. Junker vom Fachbereich für Ökologie und Evolution der Universität Salzburg nun nachgewiesen, dass Blütendüfte ein entscheidender Faktor für die Artenvielfalt in einem Ökosystem sind.
Insekten nicht zufällig verteilt
„Eigentlich könnte man davon ausgehen, dass sich die Insekten zufällig über eine Wiese verteilen“, erklärt Junker. Doch dem ist nicht so. „Die Interaktion ist alles andere als zufällig. Es gibt paarweise Beziehungen, die häufiger auftreten, und andere, die gar nicht stattfinden.“
Alle Netzwerke der Interaktionen im Ökosystem, die sich Junker angesehen hat, unterliegen verschiedensten Besuchsmustern. Warum bestimmte Insekten bestimmte Pflanzen ansteuern oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Das Angebot von Nektar und Pollen ist dabei ebenso wichtig wie die Morphologie der Pflanze, die Farbe und der Duft. Letzterem komme eine wesentlich bedeutendere Rolle zu, als man bisher angenommen habe, ist Junker nach seinen bisherigen Forschungsarbeiten überzeugt.
Bienen lassen sich täuschen
So hat der Biologe mit der Doktorandin Anne-Amélie C. Larue-Kontić das Duftgemisch von Schafgarben (Achillea millefolium) und Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense) extrahiert. In der Versuchsanordnung wurde die Distel mit dem Duft der Schafgarbe und die Schafgarbe mit dem Duft der Distel besprüht. Die Täuschung funktionierte: Das Besuchsverhalten der Insekten änderte sich schlagartig. Honigbienen und Hummeln flogen plötzlich die sonst von ihnen vernachlässigten Schafgarben an.
Fliegen und Käfer, die Schafgarben mögen, tummelten sich auf Disteln. Erst als das „Parfum“ schwächer wurde, gab es wieder die gewohnten Besucher bei den Blüten. „Der Duft wirkt oft stärker als die Form oder die Farbe“, sagt Junker. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die jeweiligen Paarbeziehungen, sondern auf die gesamte Struktur der Artengemeinschaft. Es gibt zahlreiche Wechselwirkungen im jeweiligen Ökosystem, die die Biodiversität beeinflussen.
Vereinfacht gesagt: Je vielfältiger die durch die unterschiedlichen Düfte angelockten Insektenarten sind, desto vielfältiger sind auch die Auswirkungen auf die höheren Arten.
In ihrer Konkurrenz um Bestäuber verfügen die Blüten über ein ganzes Arsenal an verschiedenen Düften. Einige dürften dabei so ähnlich wie eine Werbetafel wirken, um potenzielle Bestäuber auf die Pflanzen aufmerksam zu machen. Andere wirken subtiler, um die Insekten zu locken. Schädlinge oder nicht bestäubende Insekten wiederum können durch einzelne Düfte abgeschreckt werden. Manche Duftmoleküle hemmen das Wachstum von Bakterien und haben damit eine weitere Schutzfunktion für die jeweilige Pflanze.
Tests an der Hochalpenstraße
„Die Duftstoffe, die von einzelnen Pflanzen emittiert werden, sind unglaublich vielfältig“, ist Junker fasziniert. Die meisten Düfte haben bestimmte ökologische Funktionen, die sie für eine Blüte erfüllen. „Und auch das ganze Bouquet hat eine Wirkung“, erläutert Junker.
Im Sommer will Junker unter dem Aspekt der ökologischen Netzwerke acht Flächen im Bereich der Großglockner Hochalpenstraße auf ihre Artenvielfalt hin untersuchen. Auch hier sollen die Düfte und deren Auswirkungen auf die Struktur und Diversität eines Ökosystems im Zentrum stehen.
Einige der ins Auge gefassten Flächen wurden schon in den 1990er-Jahren in Sachen Artenvielfalt untersucht und genau dokumentiert.
Deshalb kann auch der Einfluss des Klimawandels auf die Veränderung der Biodiversität untersucht werden. Junker will herausfinden, wie sich die Artenvielfalt an den Standorten in den vergangenen 30 Jahren verändert hat und welchen Einfluss die Blütendüfte dabei haben.
IN ZAHLEN
100Düfte kann eine einzelne Blüte ausströmen. Insekten nehmen Düfte nicht wie wir mit der Nase wahr, sondern mittels verschiedener Rezeptoren an den Fühlern und Beinen. Diese Rezeptoren sind oft sensibler als die menschliche Nase und reagieren auch auf Duftstoffe, die der Mensch gar nicht riecht.
2000einzelne Moleküle aus Blütendüften wurden bereits beschrieben. Die Liste wächst aber stetig an.
Manche dieser Moleküle werden in 70 Prozent aller untersuchten Blütenduftbouquets gefunden, andere werden nur von einzelnen Arten emittiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)