Saubere Jeans, die keinem schaden

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Heimische Forscher fanden eine Methode, um den indigoblauen Jeansstoff umwelt- und gesundheitsschonend zu bleichen. Spezielle Enzyme sorgen für den beliebten Used Look.

Alles begann mit Spitzenunterwäsche. Christian Schimper arbeitete im Christian Doppler Labor für Chemie zellulosischer Fasern und Textilien der Uni Innsbruck, in dem eine Paste entwickelt wurde: für Spitzenstickereien bei Reizwäsche. Die feinen Muster werden auf dünnen Stoff aufgenäht, der anschließend weggeätzt werden muss, damit nur die Spitzenstickerei übrig bleibt. Die Innsbrucker und Vorarlberger Textilforscher fanden einen schonenden Weg, das dünne Gewebe wegzubekommen, ohne ätzende Chemikalien: Enzyme können Zellulose abbauen, den Grundbaustoff von Baumwolle und anderem Pflanzenmaterial.

Dieser natürliche Weg der Stoffzersetzung schaffte es zwar nicht auf den Markt, doch das Wissen jahrzehntelanger Forschung führte zu einer neuen Idee. „Wir forschten schon lang an Färbeprozessen und waren quasi Indigo-Experten“, sagt Thomas Bechtold, Leiter des Instituts für Textilchemie und Textilphysik am Dornbirner Standort der Uni Innsbruck. Wer Indigo sagt, muss an Jeans denken: Es ist der Grundfarbstoff von tiefblauen Blue Jeans.

Helle Stellen sind in

Doch die Geschichte der Jeans ist eine Geschichte voller Gesundheitsschäden. Seit die Mode vorgibt, dass Jeans auch fabriksneu aussehen müssen, als wären sie schon jahrelang getragen worden, gibt es weltweit Methoden, um die Indigofarbe der Blue Jeans zu bleichen, sodass typische helle Stellen an Knien, Oberschenkeln oder Gesäß entstehen: der Used Look.

So führte etwa das Sandstrahlverfahren zur gefährlichen Staublunge der Fabriksarbeiter, einer Erkrankung, die früher typischerweise Bergleute betraf und die tödlich enden kann. Inzwischen wurde bei den meisten Jeansherstellern auf eine Methode mit Kaliumpermanganat umgestellt, um den indigoblauen Stoff zu bleichen: Die Chemikalien hinterlassen aber Schwermetalle im Abwasser – und in vielen Fabriken in Billiglohnländern sind die Arbeiter weiterhin nicht vor den Gefahren dieser ätzenden Bleichchemikalie geschützt.

Die österreichischen Forscher hatten eine bessere Idee und vereinten das Wissen über Farbe und Enzyme: Sie gründeten die Firma Acticell, die eine umweltschonende und nicht gesundheitsgefährdende Methode entwickelte, um am Knie oder Gesäß die hellen Used-Look-Stellen zu gestalten.

Zellulase lockert Gewebe auf

Dazu muss man wissen, dass der blaue fabriskneue Stoff in großen Waschmaschinen bereits mit Enzymen behandelt wird, um das Gewebe aufzuhellen. „Die Enzyme verändern die Zellulose, sodass sich der Farbstoff beim Waschen besser lösen kann“, erklärt Schimper, heute Geschäftsführer von Acticell in Wien. Ähnliche Zellulase-Enzyme werden seit Jahrzehnten industriell eingesetzt, ob in der Papierindustrie oder zur Herstellung von Biotreibstoff. Für die Jeans müssen diese Enzyme so verändert werden, dass sie den Stoff auflockern, sodass im Waschgang die Farbe gut ausgespült werden kann.

Dieses Auswaschen betrifft freilich das gesamte Kleidungsstück, man kann also nicht festlegen, welche Stellen heller werden sollen und welche schön dunkel bleiben. „Dafür haben wir nun diese umweltfreundliche Chemikalie entwickelt, die man vor dem Waschgang auf die Oberfläche der Jeans aufträgt, entweder mit Pinsel oder Spray“, sagt Schimper.

Also genau mit den gleichen industriellen Verfahren, wie bisher das giftige Kaliumpermanganat vor dem Waschen aufgebracht wird. Der neue Wirkstoff wurde Acticell genannt, genauso wie das Start-up, das von der Uni Innsbruck, der Austria Wirtschaftsservice AWS und dem Uni-Gründerservice Inits unterstützt wurde.

„Unsere Chemikalie setzt sich an der Jeansoberfläche fest und sagt den Zellulase-Enzymen quasi, wo sie schneller und besser arbeiten sollen“, erklärt Schimper.

Vor dem Waschgang sieht man also die hellen Stellen noch nicht, weil das Mittel erst in der Waschmaschine die aufhellenden Enzyme zur Höchstleistung aktiviert, sodass die starken Bleicheffekte genau dort auftreten, wo der Hersteller das wünscht – ganz ohne Schwermetalle und Gesundheitsschäden der Fabriksarbeiter.

Gebrüder Stitch als Partner

Mit Kaliumpermanganat kann man auch besonders helle sogenannte Shiny-Effekte auf den Jeans erzeugen. „Das schaffte unser Mittel nicht. Deswegen haben wir nun ein weiteres Verfahren entwickelt, das sogar diese ganz hellen Stellen erzeugen kann“, sagt Schimper.

Dieses steht nach ersten Tests mit den Kunden kurz vor der Markteinführung. In Wien ist das ökologische Modelabel Gebrüder Stitch als Entwicklungspartner an Acticell beteiligt: Die jungen Jeansdesigner verwenden alle der neu entwickelten umweltschonenden Verfahren. „Doch wir sind mit fast allen großen Jeanslabels in Kontakt, um unsere Methode zu vermarkten“, sagt Schimper.

LEXIKON

Die Idee für das schonende Jeans-Bleichen kam den Forschern in Dornbirn, im Herzen der Vorarlberger Textilindustrie: 150 Stickereien und 60 Textilunternehmen gibt es in Vorarlberg.

Österreichweit sind Textilunternehmen und Forschungseinrichtungen über die Smart-Textiles-Plattform zusammengeschlossen, die „intelligente Textilien“ erforschen: für Kleidung, aber zum Beispiel auch für Leichtbau oder textile Heizelemente.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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