Das Dromedar ist ein Araber

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Eine Wiener Forscherin fand heraus, dass die Domestizierung der einhöckrigen Nutztiere an der Südostküste der arabischen Halbinsel passierte. Dazu analysierte sie historische und heutige Dromedarknochen.

Ob Rind, Huhn oder Schwein: Bei Nutztieren weiß man recht genau, wo und wann sie domestiziert wurden. Für Dromedare hat dies nun eine internationale Gruppe rund um Pamela Burger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vet-Med-Uni Wien herausgefunden, und zwar „hieb- und stichfest“, wie sie der „Presse“ sagt, „nämlich an der Ostküste der arabischen Halbinsel“.

Die Geschichte der Dromedare ist eng mit der Kultur- und Religionsgeschichte der Region verwoben. 3000 Jahre lang konnten Menschen nur mit ihrer Hilfe – Stichwort „Wüstenschiff“ – große Distanzen durch Trockengebiete zurücklegen. Da mit den Arbeitstieren seit Jahrhunderten gehandelt wird, war ihre genetische Abstammung bisher aber schwer zu fassen. Burger und ihr Team verglichen nun – unterstützt u. a. vom Wissenschaftsfonds FWF und der Akademie der Wissenschaften – historische DNA-Sequenzen aus Wilddromedarknochen mit den Erbinformationen von 1083 Kamelen, die heute zwischen Australien und Westafrika leben.

„In den modernen Populationen fanden wir keine großen Unterschiede – bis auf das Horn von Afrika, also Kenia, Äthiopien, Somalia“, sagt Burger, die DNA sei hier geografisch recht isoliert geblieben, im Norden etwa durch das äthiopische Hochland. Nach dem Vergleich der DNA mit archäologischen Funden identifizierten die Forscher deshalb Wilddromedare von der Südostküste der arabischen Halbinsel als Begründer des domestizierten Genpools.

Wilddromedare starben aus

„Die Domestikation hat 2000 bis 1000 v. Chr. begonnen; die letzten Wilddromedare sind um Christi Geburt ausgestorben“, sagt Burger. „Das heißt, es gab wilde und domestizierte Dromedare nur eine kurze Zeit lang parallel.“ Rinder wurden zum Beispiel ab 7500 bis 6000 v. Chr. domestiziert, und der Auerochse lebte bis ins 17. Jahrhundert. Bezoarziege, Wildschwein und Wildschaf gibt es immer noch.

Der Islam trug auch dazu bei, die Dromedarpopulation zu vergrößern. Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 und dem Aufstieg des Osmanischen Reichs waren Dromedare bei Langstrecken-Karawanen unentbehrlich.

Die Studie etablierte nun die bisher wenig populäre Methode der Gewinnung historischer DNA: „Anders als etwa bei Höhlenbären in Permafrostböden waren die Knochen jahrtausendelang der Hitze und UV-Strahlung ausgesetzt. Ihre Auswertung hat uns drei Jahre beschäftigt“, erzählt Burger. „Mit der Studie können wir außerdem einen Überblick über die weltweite Kamelpopulation geben.“ Die ostafrikanisch-arabischen Dromedare unterscheiden sich genetisch deutlich von jenen in Nord- und Westafrika; australische wiederum sind verwandt mit den Tieren, die in Indien und Pakistan leben.

Bei Dromedaren gibt es keine genetisch definierten oder speziell gezüchteten Rassen – wie etwa bei Rindern, wo Angus-Rinder als „Fleischrasse“ und Holsteinkühe auf Milchproduktion hin gezüchtet wurden. Dafür gibt ein Kamel auch nur sieben Liter Milch pro Tag und keine 40 wie die Hochleistungskuh. Aufgrund globaler Klimaerwärmung und zunehmender Desertifizierung gewinnen Kamele aber an Bedeutung: Sie sind viel genügsamer als Rinder; Bewohner von (Halb-)Wüstengebieten könnten sie dort als Milchvieh halten.

Lexikon

Altweltkamele. Es gibt drei Arten: das Baktrische (zweihöckrige) Kamel oder Trampeltier, das zweihöckrige Wildkamel und das domestizierte Dromedar. Lamas und Alpakas sind Neuweltkamele.

Domestizierung ist der Prozess, in dem Wildtiere über viele Generationen an das Leben mit dem Menschen gewöhnt werden. Die Studie zeigt, dass die Domestizierung des Kamels kein singulärer Akt war. Über Jahrhunderte wurden Wilddromedare immer wieder in die Hausrassen eingekreuzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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