Schoben Sonnenstürme das Leben auf der Erde an?

Aufnahmen eines Sonnensturms mit dem NASA Solar Dynamics Observatory
Aufnahmen eines Sonnensturms mit dem NASA Solar Dynamics Observatory(c) NASA/SDO
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Ausgerechnet extrem heftige Aktivitäten der jungen Sonne könnten Bausteine und Umweltbedingungen für Leben gebracht haben.

Wie ist das Leben auf der Erde entstanden, und wie konnte es just zu einer Zeit entstehen, als die Sonne nur 70 Prozent ihrer heutigen Kraft hatte? Auf der Erde hätte es 26 Grad kälter sein müssen als heute, Eis allerorten, aber es gab im Archaikum vor 3,8 bis 2,5 Milliarden Jahren flüssiges Wasser, irgendetwas wärmte, und vor 3,8 Milliarden Jahren waren die ersten Bakterien da.

Auf dieses Paradox der „faint young sun“ machten 1972 Carl Sagan und George Mullen aufmerksam, gelöst ist es bis heute nicht, nichts deutet etwa auf eine hohe Konzentrationen des Treibhausgases CO2. Vielleicht liegt die Lösung auch gar nicht auf der Erde – sondern in der Sonne: Mit dem Nasa-Teleskop Kepler hat man bemerkt, dass viele junge sonnenähnliche Sterne extrem viele und starke Ausbrüche haben. Bei unserer Sonne nennt man sie Sonnenwinde, sie schleudern Strahlung und Teilchen in Richtung Erde.

Am kräftigsten taten sie das zuletzt 1859 im „Carrington-Ereignis“, es zauberte Polarlichter bei Hawaii in den Himmel und brachte Telegrafenleitungen zum Glühen: Extreme Sonnenstürme drücken das Magnetfeld der Erde so zusammen, dass hochenergetische Teilchen nicht mehr abgeschirmt werden.

Solche „Superflares“ von noch viel höherer Wucht seien im Archaikum an der Tagesordnung gewesen, schloss Vladimir Airapetian (Nasa) aus der Analogie mit heutigen jungen sonnenähnlichen Sternen, dann rechnete er in Simulationen die Folgen durch: Den Sonnenstürmen seien sowohl Bausteine des Lebens zu danken als auch die Bedingungen, unter denen es gedeihen konnte.

Ingredienzien: Blausäure und Lachgas

Beides hängt mit Stickstoff N2 zusammen, er stellte wie heute den Hauptbestandteil der Atmosphäre. Aber er ist träge, es braucht viel Energie, ihn in Verbindungen zu bringen. Sie könnte von Blitzen kommen – darauf setzte etwa Stanley Millers Ursuppen-Konzept –, sie könnte auch mit Sonnenstürmen stammen, das ist Airapetians Idee: In seinen Simulationen entstand etwa Cyanwasserstoff (HCN, Blausäure), ein Baustein von Aminosäuren, die wieder Bausteine der Proteine sind.

Aus ihnen entstand auch Distickstoffmonoxid (N2O, Lachgas), es ist ein extrem starkes Treibhausgas, es könnte die Erde trotz der schwächelnden jungen Sonne warm gehalten haben (Nature Geoscience, 23. 5.). „Unser Modell beschreibt die kosmischen Zutaten, die für die Entwicklung von Leben nötig sind“, schließt Airapetian.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2016)

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