Wenn der Regen tropft

So erforscht die Nasa Regen: Die Farben – Blau: kleine Tropfen, Rot: große – verraten, was noch in der Wolke hängt und wie es herabkommt.
So erforscht die Nasa Regen: Die Farben – Blau: kleine Tropfen, Rot: große – verraten, was noch in der Wolke hängt und wie es herabkommt.(c) Nasa
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Es kann zu viel von ihm kommen oder zu wenig, er ist immer für Überraschungen gut: Regen zeugt Regen, er kann gar Strom erzeugen, in Solarzellen!

Wie gut riecht die Luft, wenn es geregnet hat, dann ist sie frisch gewaschen. Aber: Warum soll etwas gut riechen, nur weil es frisch gewaschen ist? Dann ist allenfalls Gestank weg, und bei der Wäsche in der Waschmaschine ein Parfum des Waschpulvers drin. Warum riecht sie dann doch so gut, die Luft, vor allem am Land? Vielleicht weil durch den Regen etwas in sie hineinkommt, organisches Material vom Boden, auf den die Tropfen prasseln. Das hat bisher nur niemand bemerkt, auch Chemikerin Mary Gilles (Berkeley) schüttelte den Kopf, als sie es das erste Mal unter dem Mikroskop sah: „Irgendetwas ist mit diesen Proben nicht in Ordnung“, notierte sie ins Laborbuch.

Die Proben waren in Oklahoma gezogen worden, man wollte sehen, was dort in der Luft schwebt: Die meisten Teilchen sahen aus wie winzige Glassplitter. So etwas kannte man nicht, es konnte nur eine Kontamination sein, also zog man ein paar Monate später neue Proben. Wieder waren die Partikel da. Also sah man die Umwelt an: Die Proben waren über landwirtschaftlichen Böden gezogen worden, an den Tagen davor hatte es geregnet. Die Wolken waren aus verschiedenen Richtungen gekommen, aus ihnen konnte die Fracht nicht stammen.

Sondern nur aus dem Boden, Gilles rekonstruierte den Weg: Wenn Erde nass wird, löst sich verrottete Biomasse auf. Und wenn dann der nächste Tropfen hineinschlägt, bilden sich Bläschen. Diese explodieren und schleudern ihre Fracht auch nach oben, viel: Nach einem Starkregen waren 60 Prozent aller Teilchen in der Luft von dem bisher übersehenen Typ, er besteht aus Kohlen-, Stick- und Sauerstoff, Gilles nennt ihn Asop (airborne soil organic particals) und sieht weitreichende Konsequenzen etwa für die Klimaforschung: Asop haben die Größenordnung von Teilchen, die Wolken bilden und abregnen lassen (Nature Geoscience 2. 5.).

So zeugt Regen sich selbst. Dann fällt er wieder, das kann gefährlich werden, kleine Tiere etwa sind schon von einzelnen Tropfen bedroht: Prallt einer auf einen fliegenden Moskito, ist das so, als würde ein Bus an einen Fußgänger geraten, der Tropfen hat die 50-fache Masse des Insekts. Aber es überlebt, lässt sich mit hinabreißen und biegt nach einer Distanz von 13 Körperlängen zur Seite ab. David Hu (Georgia Institute of Technology) hat es erkundet, im Labor, in höchst ausgetüftelten Experimenten (Pnas 109, S. 9822).

So fröhlich kann Wissenschaft sein. So ernst auch: Dem koreanischen Ingenieur Wonjung Kim (Sogang University) fiel an Spinnennetzen auf, dass sie Regentropfen nicht nur standhalten, sondern sie regelrecht sammeln. Deshalb hat er Spinnenfäden simuliert – mit Kupferdrähtchen – und beregnet, es ging darum, optimale Querschnitte für Fasern von Netzen zu ermitteln, mit denen man Wasser in regenarmen, aber nebelreichen Gegenden, etwa der Atacamawüste, aus der Luft holt (Physics of Fluids 28, 042001).

Güsse ohne Ende. Zu wenig Wasser ist das eine Problem, zu viel das zweite, vor allem, wenn es in Güssen ohne Ende kommt. Wann kommt es so? Darüber, was noch in den Wolken hängt, gibt die Größe der Tropfen Bescheid, die schon gefallen sind. Auch darüber, wie die restliche Fuhre kommt: Kleine Tropfen verdunsten am Weg, das bringt Kühle, diese bringt Wind bis Sturm. Deshalb behält die Nasa seit 2014 mit Satelliten Regentropfen im Auge, im Global Precipitation Measurement (GPM), es soll Wetterprognosen verbessern, das sollen seit Längerem schon Tropfenmessgeräte am Boden.

Dort misst bzw. dokumentiert auch die Natur, und darauf setzte man Hoffnungen, als es um eines der größten Rätsel der Erdgeschichte ging, jenes der „faint young sun“, Carl Sagan und George Mullen haben es 1972 bemerkt: Als die Sonne jung war, strahlte sie schwächer, das ist bei allen Sternen so, die sich selbst verbrennen. Erst wenn ihr Kern dichter wird – genug Wasserstoff zu Helium fusioniert ist –, steigen die Temperaturen. So hatte die Sonne im Archaikum, vor 3,8 bis 2,5 Milliarden Jahren, nur 75 Prozent ihrer heutigen Kraft. Die Erde hätte durchgefroren sein müssen, 26 Grad kälter als derzeit. Aber es gab flüssiges Wasser, irgendetwas wärmte. – Sagan/Mullen fanden keine Lösung, auch an extremen CO2-Konzentrationen kann es nicht gelegen haben, die gab es nicht. Aber vielleicht etwas anderes: Colin Goldblatt (Nasa) las aus 2,5 Milliarden Jahre altem Gestein, dass doppelt so viel Stickstoff (N2) in der Atmosphäre war wie heute, entsprechend hoch könnte der Luftdruck gewesen sein. Und wenn dieser hoch ist, verstärkt Stickstoff den Effekt von Treibhausgasen, sie absorbieren Strahlung dann in einem breiteren Wellenbereich. Doppelt so viel Druck wie heute hätte genügt.

Nur: Wie hoch war er im Archaikum? 1851 hatte der britische Geologe Charles Lyell eine Idee: Der Luftdruck zeigt sich in den Kratern, die von Regentropfen in den Boden geschlagen werden: Je höher der Druck, desto langsamer fallen sie. Sanjoy Jon (Nasa) griff dies 2012 auf, an Tropfen, die vor 2,7 Milliarden Jahren in erkaltende Vulkanasche einschlugen. Dann verglich er mit Kratern in heutiger Vulkanasche: Sie sind fast gleich groß, der Druck im Archaikum war kaum höher: Das Rätsel der schwachen jungen Sonne bleibt ungelöst (Nature Geoscience 7, S. 335).

Ruhig schlafen kann man trotzdem. Schwieriger ist es mit dem, das die Erde heute erwärmt, vor allem CO2, und vor allem jenes aus dem Verbrennen fossiler Energieträger. Andere Quellen wären besser, am besten die, der fast alle Energie zu verdanken ist, die Sonne. Am allerbesten wäre es, man könnte ihre Strahlung direkt nutzen, man tut es auch, etwa mit Fotovoltaik.

Nur regnen darf es nicht. Oder doch? Solarzellen könnten auch dann liefern, Qunwei Tang (Qingdao) hat den „proof of principle“ geführt (Angewandte Chemie 21. 3.): Er machte sich das Wundermaterial Graphen zunutze – er beschichtete Solarzellen damit – und den Umstand, dass im Regen Salze sind, etwa von Natrium. Die positiv geladenen Ionen binden an das Graphen, sie sammeln sich auf der Seite des Wassers. Auf jener des Graphens sammeln sich Elektronen, beide zusammen bilden einen Pseudokondensator. Dieser liefert Strom, nicht allzu viel – Wirkungsgrad 6,5 Prozent –, aber immerhin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2016)

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