Die digitale Nervosität der Generation Smartphone

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Smartphone ist für viele Menschen wie ein zusätzliches Sinnesorgan, sie sind immer online. Ein Salzburger Forscher hat sich angesehen, wie die permanente Vernetzung Individuen und Gesellschaft verändert.

Begonnen hat alles mit der Schrift. Mit ihr hat die Mediatisierung der Kommunikation angefangen, mit ihr trat eine Kommunikationstechnik an die Stelle des direkten Gesprächs. Mit der Erfindung von Handys und Smartphones hat die Mediatisierung der Kommunikation heute eine neue Intensität erreicht – die Nutzer sind ständig auf Empfangsmodus. Ein Buch oder die Zeitung legt man zur Seite, Radio oder Fernsehgerät werden ein- und ausgeschaltet. Die Generation Smartphone kennt diese kommunikativen Pausen nicht mehr.

„Das Smartphone ist so etwas wie ein zusätzliches Sinnesorgan des Menschen geworden“, konstatiert Thomas Steinmaurer, Kommunikationswissenschaftler der Uni Salzburg. Er beschäftigte sich in der Habilitation, die kürzlich unter dem Titel „Permanent vernetzt“ als Buch erschienen ist, damit, was die Dauervernetzung mit Mensch und Gesellschaft macht. „Es gibt einen neuen Aggregatzustand, den man als digitale Nervosität bezeichnen kann“, sagt Steinmaurer.

Mit dem ständigen Blick auf die gerade laufenden Aktivitäten in den digitalen Netzwerken vergewissert sich die Generation Smartphone, dass ihr nichts entgeht und sie noch Teil ihrer Community ist. Das, was sich im Netz tut, ist für das reale Leben so wichtig geworden, dass man den Strom der Dauervernetzung nicht mehr verlassen will.

Gegenseitig überwachen

Doch das birgt auch Risken: Die Daten, die wir im Netz hinterlassen, werden von den Betreibern der Plattformen vermarktet und überwacht. „Die Nutzer überwachen sich aber auch gegenseitig, es entsteht ein neuer Zustand von Sichtbarkeit“, beobachtet der Wissenschaftler.

Dazu kommt eine neue Wahrnehmung von Raum und Zeit sowie Effekte zunehmender Beschleunigung. Zudem verschwimmen die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem, zwischen Arbeit und Freizeit. In diesem ständigen Kommunikationsstress können nicht alle mithalten und werden zu Außenseitern.

Auf der Ebene der Gesellschaft führt die Individualisierung der Kommunikation zu Tendenzen der Fragmentierung, beobachtet Steinmaurer: „Es entstehen einzelne Kommunikationsinseln, die miteinander immer weniger verbunden sind.“ In den persönlichen Filter-Bubbles erhält man nur mehr jene Nachrichten und Informationen, die zum eigenen Profil passen. Das verengt den Blick – trotz der im Netz oft versprochenen Transparenz und Vielfalt. Das öffnet auch Missbrauch Tür und Tor. In den digitalen Echokammern setzen sich tendenziell nämlich jene Stimmen durch, die radikalere Standpunkte vertreten. „Die Diskussion in der Mitte wird in den Hintergrund gedrängt“, sagt Steinmaurer.

Medienkompetenz vermitteln

Insgesamt berge die digitale Kommunikation in der Dauervernetzung eine Reihe von Chancen, aber eben auch viele Risken. Er tritt deshalb für verstärkte Anstrengungen der Bildung und digitalen Ethik ein, damit die Menschen mit den neuen Technologien kompetent umgehen können. Außerdem müsste es auf gesellschaftlicher Ebene strengere Regeln für Datensicherheit oder die wirtschaftliche Verwertung von Daten geben, fordert Steinmaurer. Solche Fragen einer digitalen Ordnung ließen sich aber längst nur mehr auf globaler Ebene und daher umso schwieriger regeln.

Der Handlungsbedarf ist jedenfalls groß. Denn längst zeichne sich die nächste Stufe der Mediatisierung ab: Der Mensch und die neuen Kommunikationstechnologien wachsen im Alltagsleben immer stärker zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2016)

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