Antibiotika-Alternative: Hoffnung auf Phagentherapie gedämpft

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Symbolbild.(c) APA/AFP/FRANCK FIFE
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Der erste halbwegs große klinische Test für die mögliche Alternative zu Antibiotika kommt kaum in Gang.

Als in den 1990er-Jahren in Spitälern Bakterien auftauchten, die gegen alle Antibiotika resistent waren, stieg die Sorge, die stärksten Waffen der Medizin könnten stumpf werden. Neue Wirkstoffe waren nicht in Sicht, man behalf sich mit dem Modifizieren der alten. Und man suchte Alternativen. Vor allem eine bot sich an, Phagen. Die sind für Bakterien das, was Viren für uns sind, sie dringen in Zellen ein, lassen sich vermehren und töten die Wirte.

Entdeckt wurde das zu Beginn des 20. Jahrhunderts, therapeutisch erstmals eingesetzt 1917, es folgte eine Hausse. Mitte der 1930er-Jahre war sie vorbei, es hatte Probleme gegeben, die Phagen waren völlig out. Nur an einem Ort der Erde nicht, in Tiflis, der Hauptstadt der Sowjetrepublik Georgien. Von dort wurden das Land und die Rote Armee mit Phagen versorgt, und als es nach dem Zerfall der Sowjetunion zu inneren Kriegen kam, halfen Sanitäter immer noch mit Lieferungen aus Tiflis. Der Westen wurde wach, Forscher und Geschäftemacher pilgerten nach Tiflis, um die Jahrtausendwende gab es wieder einen kleinen Boom – in Labors –, aber zu einem auch nur halbwegs großen klinischen Test kam es bis heute nicht. Das schien sich 2013 zu ändern: „A world first! Phagoburn clinical trial is now running!“ So wurde ein EU-Projekt beworben, in dem die Wirksamkeit von Phagen bei Brandwunden getestet werden sollte, für 2016 wurden Ergebnisse erwartet.

Wirksam bei Brandwunden?

Aber das Projekt, das ohnehin nur 220 Patienten hätte umfassen sollen, hat bis heute nicht begonnen. Das liegt zum einen daran, dass Zulassungsbehörden lebende Phagen so behandeln wie Wirkstoffe von Medikamenten, sie müssen etwa im Mischungsverhältnis immer gleich sein. Damit tun sich aber die Forscher schwer, weil sie mehrere Phagen zu Cocktails mischen, und sich in denen die Populationen ändern können. Zum anderen fanden sich kaum Testpersonen: Man wollte Phagen gegen bestimmte Bakterien testen – P. aeruginensa und E. coli –, aber es gibt kaum Brandwunden, in denen sich nur das jeweilige Bakterium findet. Deshalb brach man bei E. coli völlig ab, man hofft bei P. aeruginensa, bis Jahresende 110 Patienten zusammenzubringen (Science 352, S. 1506). Wenn es gelingt, werden erste Ergebnisse im Frühjahr erwartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

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