Vor allem Glück müssen Wissenschaftler haben

Vom Leben der Forscher. Beim Berufseinstieg spielte der Zufall mit, sagten Forscher und Forscherinnen bei einer Podiumsdiskussion. Mit ihrem Beruf sind sie höchst zufrieden, wenn auch die 40-Stunden-Woche eine Illusion ist.

„Herausfordernde, abwechslungsreiche Aufgaben mit vielen Freiheiten in einer dynamischen und internationalen Umgebung“ – mit diesen Zuordnungen beschreibt die eben erschienene Studie „Neue Wissenschaftskarrieren“ des Instituts für Familienforschung an der Uni Wien den Unterschied der Karriereverläufe von Wissenschaftlern im Vergleich mit anderen Berufsgruppen. Bei einer Diskussion zum Thema „Wie leben Forschende in Österreich?“ (im Rahmen des in dieser Woche im Wiener Rathaus veranstalteten High Potential Day 2016) bestätigten dies auch die Referenten, wenn sie auch zugaben, dass sie beim Einstieg in den Beruf ein gehöriges Maß an Glück gehabt hatten.

Ein Querschnitt durch die Disziplinen: Die Referenten kamen aus den Bereichen Innere Medizin/Arteriosklerose (Konstantin Krychtiuk), Immunoanalytik (Sabine Baumgartner), Mikrobiologie (Nikolaus Pfaffenbichler), Technikforschung (Maximilian Fochler) und Sozial- und Kulturanthropologie (Andreas Obrecht). Ihre Anfangsphase, so die einhellige Meinung, sei vom Sprichwort „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ bestimmt gewesen: Ein Institut wurde während der Abschlussphase der Dissertation erweitert oder neu gegründet, ein Mitarbeiter verließ seine Stelle, eine Nachbesetzung war gerade erforderlich. „Ich habe meinen Beruf nicht geplant, er ist passiert“, sagt etwa der Mediziner Krychtiuk. Das Thema einer Masterarbeit habe ihn fasziniert, und so sei er in den Forschungsprozess hineingewachsen.

Wie auf der Hochschaubahn

Seine bisherigen Berufsjahre verglich Pfaffenbichler vom Austrian Institute of Technology mit einer Hochschaubahn, ein Auf und Ab – die Fahrt sei auf jeden Fall interessant und lohnend. Eine besondere Attraktivität seines Jobs sei die ständige Herausforderung. „Jeden Tag, an dem ich ins Labor gehe, mache ich vielleicht das, was vor mir niemand gemacht hat“, sagt Pfaffenbichler, „das ist faszinierend.“

Freilich gibt es nicht nur die Sonnenseite. Befristete Dienstverhältnisse haben in den vergangenen Jahren rasant zugenommen, heißt es in der Studie „Neue Wissenschaftskarrieren“. Die Anstellung erfolgt meist nur auf die Dauer von Projekten, die über Drittmittel gefördert werden. Die Spezialisierung in der Forschung erschwert einen Wechsel der Dienststellen. Der starke Wettbewerb in der Forschungsszene hat ebenfalls Nachteile. „Es gibt eine Hyperaktivität, die eine negative Wirkung hat und die Kreativität behindern kann“, sagt Maximilian Fochler.

Dazu kommen Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Karriere. „Wissenschaft und Forschung ist kein 40-Stunden-Job“, stellt Sabine Baumgartner lapidar fest. Die üblichen längeren Auslandsaufenthalte werden hingegen als Vorteil gesehen. Durch Partnerschaften der österreichischen Institute und über Projekte des Wissenschaftsfonds komme man relativ leicht in ausländische Forschungsinstitutionen.

Und wie sei es jenen früheren Kollegen ergangen, die nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort zugegen waren? Zuerst wären sie verunsichert gewesen, sie wären gern in der Forschung geblieben, sagen Baumgartner und Fochler. Aber sie haben es schließlich in anderen Berufsfeldern erfolgreich geschafft. „Sie können ihr Wissen aus den Forschungsjahren gut einsetzen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2016)

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