Das „Auge“ der Chirurgen verbessern

Operationssaal - Operating theatre
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Klagenfurter Forscher machen Videos von endoskopischen Operationen für die Stichwortsuche und zur Arztausbildung zugänglich. Und sie verkleinern den Speicherplatz, den Unmengen von OP-Videodaten einnehmen.

In einem Operationssaal wird immer mehr auf Bildschirme gestarrt. Denn minimalinvasive Techniken nehmen zu: Der Chirurg führt über eine kleine Öffnung ein Endoskop mit einer Kamera ein – und chirurgische Instrumente, mit denen untersucht, geschnitten oder genäht wird. Das Auge des Chirurgen ist der Monitor. Kärntner Informatiker wollen die Arbeit der Chirurgen erleichtern. Sie analysieren Videodaten, die bei endoskopischen Operationen von Kopf bis Fuß anfallen.

„Wir schreiben Programme, die den Inhalt der Videos automatisch erkennen und mit Schlagwörtern verbinden, damit man wichtige Stellen über eine Suchfunktion schnell finden kann“, erklärt Klaus Schöffmann vom Institut für Informationstechnologie der Uni Klagenfurt. Hier wird maschinelles Lernen eingesetzt: Wenn man dem Computer oft genug das Bild einer Gallenblase zeigt, wird er beim nächsten Mal von selbst erkennen, dass es sich um eine Gallenblase handelt. Die Informatiker arbeiten eng mit Chirurgen z. B. aus Villach, Wien und den Niederlanden zusammen: In gemeinsamen Videosessions wird das Fachwissen vermittelt, um die Computerprogramme bestmöglich auszustatten.

Auch Medizintechnikexperten sind beteiligt: Die Firma Karl Storz aus Deutschland gehört zu den weltweit führenden Endoskopherstellern. Sie tragen gemeinsam mit den Lakeside Labs in Klagenfurt die Finanzierung dieser Forschung und können neue Erkenntnisse in ihre Produkte integrieren.

Schnell wichtige Stellen finden

„Wir strukturieren die Videodaten, teilen jede Aufnahme in Abschnitte, sodass man schnell zu relevanten Stellen springen kann. Denn kaum ein Arzt hat die Zeit, ein vielstündiges Video von Anfang bis Ende anzusehen“, sagt Schöffmann. Die Interaktions-Software ermöglicht eine strukturierte Suche im gesamten Videoarchiv. Einerseits kann anhand der Bilder dem Patienten besser erklärt werden, was bei der OP gemacht wird. Andererseits können Chirurgen genauer mit Kollegen besprechen, was man in der OP vielleicht besser machen könnte. „Auch für Folgeoperationen ist es gut, Bildmaterial zu haben, das zeigt, was bei der ersten OP gemacht wurde“, sagt Schöffmann. Und es ist ein wichtiges Tool für die Ausbildung von jungen Ärzten: Sie können sich in Ruhe die Videos anschauen, gute und schlechte Beispiele vergleichen und auf entscheidende Stellen hingewiesen werden.

Wie aufwendig die Projekte sind, wird angesichts der Datenmengen klar, die chirurgische Videos generieren: Die meisten Aufnahmen sind in HD oder noch höherer Auflösung, einige sogar als 3-D-Video abrufbar. Zwischen vier und 20 Gigabyte Speicherplatz braucht ein Endoskopie-Video. „Da kommt ein Krankenhaus schnell auf viele Terabyte Speicherplatz pro Jahr. Das ist schwer handzuhaben“, sagt Schöffmann.

Um den nötigen Speicherplatz zu reduzieren, kann man die Videos auf ihren Inhalt analysieren und effizienter komprimieren. Immerhin sind in jedem Video Daten, die für die Wissenschaft und Medizin nicht weiter wichtig sind: Unscharfe Szenen und Abschnitte, wenn das Endoskop aus dem Körper genommen wird, sollen automatisch weggeschnitten werden.

Auch schwarze Bildränder oder andere Dinge, die für Mediziner nicht relevant sind, können gelöscht werden. Die Firma Karl Storz nutzt diese Technik nun, um Mediziner bei der Videoverwaltung zu unterstützen und das „Auge der Chirurgen“ zu schärfen. (vers)

IN ZAHLEN

8 Gigabyte Speicherplatz benötigt im Schnitt das Video einer einstündigen Operation. Mit effizienter Komprimierung kann man für eine langfristige Archivierung die Datenmenge um bis zu 90 Prozent reduzieren.

10 Terabyte Speicherplatz braucht ein durchschnittlich großes Krankenhaus etwa momentan, um die gesamten OP-Videos eines Jahres aufzubewahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

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