Im Schwerefeld des Jupiters

This illustration depicts NASA s Juno spacecraft successfully entering Jupiter s orbit on July 4 20
This illustration depicts NASA s Juno spacecraft successfully entering Jupiter s orbit on July 4 20imago/UPI Photo
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Seit 4. Juli ist die Nasa-Sonde Juno auf einer Umlaufbahn um den bei Weitem größten Planeten unseres Sonnensystems. Was will sie dort?

Als der Göttervater Jupiter wieder einmal eine Frau begehrte, diesfalls Io, die Tochter eines Flussgotts, ließ er dunklen Nebel aufsteigen, um sie am Fortlaufen zu hindern. Doch just dieses Manöver lenkte die Aufmerksamkeit seiner ohnehin chronisch eifersüchtigen Frau Juno auf die Szene . . . Antike Geschichten wie diese – erzählt von Ovid in den „Metamorphosen“ – haben die Nasa dazu inspiriert, die Sonde, die seit 4. Juli den Jupiter umläuft, Juno zu nennen: Sie soll hinter die Nebel blicken. Dass es dabei zu keiner direkten Konfrontation mit Io kommt, ist garantiert: Die Sonde wird die vier galileischen Monde des Jupiters – Io, Europa, Ganymed, Kallisto – meiden. Denn diese ziehen ihre Bahnen durch den Strahlungsgürtel des Planeten, in dem so harte Strahlung (5000-mal so hart wie im Van-Allen-Gürtel der Erde!) herrscht, dass sie die Solarzellen, mit denen Juno betrieben wird, zerstören würde.

Das weiß man schon seit 1973: Damals reiste die – von Nuklearenergie getriebene – Pioneer 10 durch den Strahlungsgürtel. Sie war die erste Sonde, die den Jupiter erreichte, sie erwies sich als höchst robust, sendete bis 2003. Da war sie freilich schon weit draußen in der Peripherie des Sonnensystems, am Jupiter war sie nur einmal vorbeigeflogen. Das gilt auch für ihre Nachfolgerinnen Pioneer 11, Voyager 1 und 2, Ulysses, Cassini-Huygens (auf dem Weg zum Saturn) und New Horizons (auf der Reise zum Pluto). Meist dient der Jupiter bzw. die Schwerkraft, die von ihm ausgeht, als Katapult für die Sonden: Man nennt das Swing-by-Manöver.

Die einzige Sonde, die vor Juno in einen Orbit um Jupiter eintrat, war Galileo, im Dezember 1995. Schon davor hatte diese Sonde Großes gesehen, wenn auch nur aus einem Abstand von 238 Millionen Kilometer: den Einschlag von Bruchstücken des Kometen Shoemaker-Levy 9. Ihn hatte der Jupiter schon in den Sechzigerjahren in eine Bahn gezwungen, 1992 überschritt er die Roche-Grenze, das ist die Entfernung eines Satelliten zu seinem Zentralgestirn, unterhalb der die von diesem induzierten Gezeitenkräfte so stark werden, dass es ihn zerreißt.

Metallischer Wasserstoff. Was sah Galileo sonst in den sieben Jahren, in denen er Jupiter umrundete? Wolken, Vulkanausbrüche auf Io, vielleicht einen Ozean auf Europa. Eine Kapsel, die er 1995 auf den Planeten fallen ließ, registrierte in den letzten Sekunden einen Druck von 22 bar und eine Temperatur von 152° Celsius. Dann hat es ihn zerrissen. Zerschellt ist er nicht, schon weil es auf dem Jupiter nichts gibt, auf dem etwas zerschellen kann. Er ist, zumindest großteils, gasförmig, seine obersten Schichten bestehen zu 99 Massenprozent aus Wasserstoff und Helium. Auch weiter unten dominieren diese, aber es kommen schwerere Elemente dazu. Und der Wasserstoff ist bei den immensen Drücken, die im Inneren des Jupiters herrschen, in einem für ihn ganz ungewöhnlichen Zustand, in den ihn kein Physiker auf Erden bisher zweifelsfrei versetzen konnte: Er wird metallisch.

Dies spielt gewiss eine Rolle in der Entstehung des starken Magnetfelds des Jupiters (zehn- bis 20-mal so stark wie das der Erde), das wiederum den erwähnten aggressiven Strahlungsgürtel fördert: Es fängt ständig geladene Teilchen ein, etwa von den Vulkanen der Io. Wenn diese Teilchen durch Anregung zu leuchten beginnen, entsteht eine Aurora, die im Prinzip dem irdischen Polarlicht gleicht. Natürlich viel stärker, heller, härter, wie alles auf dem Riesen unseres Sonnensystems.

Juno wird mit ihren sieben Instrumenten die Auroras und das Magnetfeld messen, Ammoniak und Wasser, Plasma- und Radiowellen. Ziel der Mission ist es laut Nasa, Entstehung und Entwicklung des Jupiters verstehen zu lernen. Das ist noch interessanter, seit wir auch andere Planetensysteme kennen, also seit 1995. In diesen wurden zunächst naturgemäß große Planeten entdeckt, die erstaunlicherweise ihren Sternen meist viel näher sind als der Jupiter der Sonne, man spricht von Hot Jupiters. Bald fragten sich die Astrophysiker: Ist das vielleicht der Normalfall? Ist es ungewöhnlich, dass bei uns der Jupiter so weit draußen ist?

Ein neueres Modell besagt, dass er in noch größerer Entfernung von der Sonne entstanden, dann nach innen gewandert sei, bis zum 1,5-fachen Erde-Sonne-Abstand, dann erst auf seine heutige Bahn. Bei dieser Wanderung habe er, als gravitativer Staubsauger sozusagen, das innere Sonnensystem von kleineren Körpern gereinigt, das erkläre, warum sich dort keine großen Planeten bilden konnten. Ob das stimmt oder nicht, die große Anziehung des Jupiters hat das Sonnensystem geprägt – und die Erde beschützt: Wenn er nicht so viele Meteoriten abgefangen hätte, wäre das Bombardement der Erde (noch) stärker gewesen und würde womöglich andauern. So hat dieser übergroße Bruder wohl die Entwicklung des Lebens, womöglich auch der Zivilisation gefördert.

Dass auf seinen Monden selbst primitives Leben entstanden sein könnte, ist noch immer nicht ganz auszuschließen. Das ist ein Grund dafür, dass die Mission der Juno bis Februar 2018 beschränkt ist. Dann soll sie kontrolliert auf den Jupiter stürzen – um zu verhindern, dass sie eines Tages auf einen Jupitermond fällt und diesen mit Bakterien kontaminiert.

Fakten über Jupiter

Masse. Der Jupiter hat ca. 2 x 1027 kg, das ist 318-mal so viel wie die Erde, 2,47-mal so viele wie alle anderen Planeten zusammen.

Monde. Man kennt bis heute 67, die größten sind die galileischen Monde, Io, Europa, Ganymed und Kallisto, sie wurden 1610 von Galileo entdeckt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2016)

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