Konservative Technologie der Affen

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Kapuzineraffen in Brasilien knacken ihre Cashewnüsse seit mindestens 700 Jahren mit speziell ausgesuchten Steinen.

Dass es der Werkzeuggebrauch sei, der den Menschen – als Homo faber – auszeichne, diese Vorstellung haben die Biologen schon lang ad acta gelegt: Nicht nur Menschenaffen setzen Steine und Stöcke z. B. als Hämmer und Speere ein, auch Delfine, Elefanten und Krähen verwenden eindeutig Werkzeuge.

Für die Urgeschichte der Menschen spielt eine wesentliche Rolle, wie sich der Werkzeuggebrauch über die Jahrtausende entwickelt hat. Archäologen lesen viel aus der Form bearbeiteter Steine, sie gliedern die Zeit danach: Vor 600.000 Jahren, sagen sie, habe das (nach einem Fundort benannte) Acheuléen mit seinen Faustkeil-Industrien begonnen, vor 120.000 Jahren, im Mittelpaläolithikum, seien die Keile asymmetrisch geworden usw.

Über die Geschichte des Werkzeuggebrauchs bei Tieren wurde bisher noch wenig geforscht, gerade über die Schimpansen an der Elfenbeinküste weiß man Einschlägiges. Nun haben Archäologen um Michael Haslam (University of Oxford) untersucht, ob und wie die Rückenstreifen-Kapuzineraffen – mit dem hübschen amtlichen Namen Sapajus libidinosus – ihre Cashewnüsse knacken und früher geknackt haben. Dazu verwenden sie größere Steine als Ambosse und kleinere als Hämmer, wobei sie auch auf das Material schauen: Für die Hämmer bevorzugen sie den harten Quarzit, für die Ambosse flache Sandsteine.

Spuren der Nüsse

Das tun diese Affen seit mindestens 700 Jahren. Das entnehmen die Archäologen Ausgrabungen im brasilianischen Nationalpark Serra de Capivara, wobei sie die Spuren der Nüsse an den Steinen mit Massenspektrometrie nachweisen. Es ist nicht anzunehmen, dass jeder Affe diese Technik aufs Neue erfindet, also kann man getrost von einer Weitergabe dieses Verhaltens über ungefähr hundert Generationen sprechen. Auffällig sei, dass sich die äffische Technologie in dieser Zeit gar nicht geändert habe, schreiben die Forscher in Current Biology (26, R515), sie nennen das „a strongly conservative element to capuchin stone technology“.

Menschen sind da typischerweise weniger konservativ. Sie ziehen es übrigens vor, die Cashewnüsse zu rösten – was die Affen nicht können –, und das nachweislich in dieser Gegend seit mindestens 7000 Jahren. Trotzdem spekuliert Haslam, wenn auch nicht in der Publikation, sondern nur in einer Aussendung: „Es ist möglich, dass die ersten Menschen, die dort ankamen, diese unbekannte Nahrung kennenlernten, indem sie die Affen und ihre Cashew-Verarbeitungsindustrie beobachteten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)

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