Die Sonne für den Winter speichern

THEMENBILD: WARME TEMPERATUREN IM APRIL/LOEWENZAHN
THEMENBILD: WARME TEMPERATUREN IM APRIL/LOEWENZAHNAPA
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Eine Solarthermieanlage mit einem nur sechs Kubikmeter großen Wärmespeicher kann etwa 85 Prozent des Warmwasser- und Heizbedarfs eines Einfamilienhauses in den Winter retten.

Katzenstreu als Klimaretter? Diese stark verkürzende Frage könnte einem in den Sinn kommen, wenn man vom neuartigen Wärmespeicher aus Gleisdorf in der Steiermark hört. Am dortigen Forschungsinstitut AEE INTEC wurde er – gefördert mit EU-Geld – in Zusammenarbeit mit den Unis Stuttgart und Wildau sowie dem Heiztechnik-Hersteller Vaillant entwickelt und unter Laborbedingungen getestet. Den Forschern könnte mit der nahezu verlustfreien Langzeitspeicherung von Wärme ein wichtiger Schritt bei der Weiterentwicklung erneuerbarer Energien gelungen sein.

Kernstück sind durchschnittlich 2,5 Millimeter kleine, weiße Kügelchen aus Zeolith, einer mineralischen Stoffgruppe, deren Aluminium-, Silicium- und Sauerstoffatome zu einem extrem porösen Gebilde verbunden sind. Hohlräume und Kanäle nur eines Gramms dieses Materials können sich zu einer inneren Oberfläche von mehr als 1000 Quadratmetern vereinen. Dadurch sind sie sehr wasseraufnahmefähig und finden unter anderem in Katzenklos, Blumenerde oder modernen Geschirrspülern Verwendung. Pro Kubikmeter einer aus Quarzsand künstlich erzeugten Zeolith-Variante konnten die Forscher nun 180 Kilowattstunden (KWh) Wärme speichern. Das ist bis zu dreimal so viel wie sich mit Wasser erzielen lässt und ein Weltrekord in der Speicherdichte. „Wir haben bewiesen, dass das Konzept im realen Maßstab funktionieren kann“, erklärt Projektkoordinator Wim van Helden.

Bindungsenergie wird frei

Aber wie genau funktioniert die Speicherung? An den Zeolith-Perlen haften im Ausgangszustand Wassermoleküle. Vor allem an ihrer enormen inneren Oberfläche. Dieses Wasser wird mit Hilfe der solaren Energie im Sommer verdampft, genauer gesagt: Es wird der Bindung mit dem Zeolith entrissen, aus dem Speicher geleitet, wieder verflüssigt und in einem separaten Tank deponiert. Im Winter wird das gespeicherte Wasser mittels einer Niedertemperaturquelle erneut verdampft. „Der Dampf wird dann dem trockenen Zeolith zugeführt, und es entsteht wieder Wärme“, so van Helden.

Das diesem Feststoff-Sorptionsspeicher zugrundeliegende Prinzip ergibt sich aus der Bindungsenergie auf zwischenmolekularer Ebene. „Die Moleküle haben eine bestimmte Anziehungskraft, man braucht Energie, um die zwei unterschiedlichen Moleküle voneinander zu trennen. Bringt man sie wieder zusammen, findet eine Bindung statt, und die Bindungsenergie wird wieder frei.

Weil das System unter Vakuum arbeitet, kann das Wasser im Winter schon bei geringen Temperaturen verdampfen. Als Niedertemperatur-Quelle kommen deshalb Erdwärme oder gar die zu dieser Zeit eher magere Ausbeute des Sonnenkollektors in Frage. „Der große Vorteil von dieser Art der Speicherung ist: Wenn man Zeolith und Wasserdampf getrennt hat, dann kann man beide ohne Verluste aufbewahren. Es macht keinen Unterschied, ob es ein oder sechs Monate sind. Die als Bindungsenthalpie im Zeolith gespeicherte Wärme geht nicht verloren.“

2018 erster Prototyp in Polen

Das klingt nach einem potenziellen Meilenstein im Bemühen, Sonnenwärme auch im Winter nutzbar zu machen. Van Helden, der für seine Forschung eigens zwischen seiner niederländischen Heimat und Gleisdorf pendelt, sieht sich und sein Team aber noch etlichen Herausforderungen gegenüberstehen. So sei das Zeolith mit vier Euro pro Kilogramm noch viel zu teuer; rund sechs Tonnen davon würde ein Einfamilienhaus erfordern. Auch der Betrieb unter Vakuum ist auf Haushaltsebene eine technische Herausforderung.

Im gerade angelaufenen Folgeprojekt haben die Wissenschaftler das Zeolith durch ein Salzhydrat ersetzt. Es soll die Wärme noch effektiver speichern können. 2018 will man in Polen das erste Haus mit einem Prototyp ausstatten und die Feststoff-Sorptionsspeicher-Technologie unter realen Bedingungen testen. Van Helden möchte aber auch das Zeolith weiter testen und vor allem die Kosten dafür nach unten bekommen.

LEXIKON

Ein Feststoff-Sorptionsspeicher funktioniert durch den physikalischen Prozesses der Adsorption. Diese bezeichnet die Anlagerung eines Gases oder einer Flüssigkeit an der Oberfläche eines Feststoffes. Die physikalische Adsorption beruht auf eher schwachen Bindungen zwischen Molekülen. Sie heißen Van-der-Waals-Kräfte, benannt nach dem niederländischen Physiker.

(Print-Ausgabe, 16.07.2016)

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