Unsere Augen können einzelne Lichtteilchen sehen

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Der menschliche Sehsinn geht bis an die Grenzen der Physik.

Ob die Materie wirklich, wie Leukippos meinte, aus kleinsten Teilchen besteht – und welche das sein sollen, die Atome gewiss nicht –, darüber lässt sich noch immer streiten. Beim Licht ist die Sache klar: Es gibt kleinste, unteilbare Teilchen, die Photonen. Weniger Licht als ein Photon geht nicht.

Umso überraschender ist, dass unsere Augen einzelne Photonen sehen können. Dass unser Sehsinn so feinsinnig ist, dass wir ein Lichtsignal aus nur fünf bis sieben Photonen wahrnehmen können, ist seit den 1940er-Jahren bekannt. Doch nun berichtet eine Gruppe mit starker österreichischer Beteiligung (u. a. von Forschern am Institut für Molekulare Pathologie und an der Fakultät für Physik der Universität Wien, wo man ja sehr viel Erfahrung mit der Erzeugung und Registrierung einzelner Photonen hat) in Nature Communications (19. 7.): Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Testperson richtig beurteilt, ob gerade ein Photon auf ihre Netzhaut gefallen ist oder nicht, ist signifikant größer, als eine zufällige Wahl ergäbe. Das heißt, dass oft ein einziges Lichtteilchen ausreicht, um die chemische Reaktion auszulösen, die an das Sehzentrum im Hirn berichtet wird: die Isomerisierung des Moleküls Retinal in der Netzhaut.

Ein interessantes Nebenergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, ein Photon richtig zu erkennen, ist größer, wenn das Auge in den fünf Sekunden davor ein anderes Photon gesichtet hat. Offenbar passt sich der Sehsinn im Sinn von Priming (Beeinflussung der Verarbeitung eines Reizes durch vorangehende Reize) schnell an die Aufgabe an, extrem schwaches Licht wahrzunehmen. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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