Rembrandts Selbstporträts: Spiegeltricks?

„Lachender Rembrandt“. So sah er sich selbst – aber wie konnte er sich so sehen?
„Lachender Rembrandt“. So sah er sich selbst – aber wie konnte er sich so sehen?(c) Paul Getty Museum, Los Angeles
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Der Streit darüber, ob selbst die größten Meister sich heimlicher Hilfsmittel bedienten, ist neu belebt.

Kann man ein Porträt von sich malen, wenn man gerade herzlich lacht oder die Augen weit aufreißt? Rembrandt konnte es – etwa im frühen „Lachenden“ –, aber wie? Er konnte ja nicht auf Dauer den Mund oder die Augen aufreißen und zugleich malen, was er im Spiegel sah. Dazu brauchte es technische Hilfe, optische Instrumente. Die wurden in der bildenden Kunst seit 1530 breit verwendet: Kepler etwa empfahl eine von ihm ersonnene Camera obscura zur präzisen Abbildung von Landschaften, Galileo lehnte das ab – „es ist für die, die nicht wissen, wie man die Natur mit dem Geist erfasst“ –, nutzte aber konkave Spiegel, Velázquez hatte gleich zehn davon.

Das brachte den Maler David Hockney und den auf Optik spezialisierten Physiker Charles Falco 2001 auf den Verdacht, seit der Renaissance hätten viele Meister mit dem heimlichen Gebrauch von Spiegeln und Linsen hyperrealistische Details in ihre Bilder gezaubert. Das weckte Widerspruch, Hauptkritiker der „Hockney-Falco-Hypothese“ war ein anderer Optikspezialist, David Stork.
Er und Falco sind auch in der jüngsten Runde mit dabei: Francis O'Neil, ein britischer Maler, sieht in vielen Selbstporträts von Rembrandt angewandte Optik am Werk. Zugang hätte der Niederländer haben können: Sein Landsmann und Förderer, der Astronom Huygens, hatte Spiegel und Linsen, und van Leeuwenhoek, der Erfinder des Mikroskops, war ein Nachbar vor Vermeer. Der wieder war Chef einer Gilde in Delft, in der Künstler und Glasmacher vereint waren, auch Rembrandt war Mitglied, und dass er zumindest einen Spiegel hatte, ist verbürgt. Für sein Lachen und Augenrollen brauchte er aber zwei: Er setzte sich, mit grell beleuchtetem Gesicht, in einem dunklen Raum vor einen konkaven Spiegel, der warf das Bild auf einen flachen Spiegel, von dort ging es auf die Leinwand (bzw. das Kupfer: Rembrandt nutzte es nicht nur zum Stechen, sondern bisweilen auch als Maluntergrund). Das brachte Präzision und zugleich Chiaroscuro, den starken Hell-Dunkel-Kontrast, den viele Werke Rembrandts zeigen.

„Der Befund zeigt, dass Rembrandt für Selbstporträts optische Instrumente nutzte“, schließt O'Neil (Journal of Optics 13. 7.). Falco sieht sich bestätigt, aber Stork lässt nicht locker: Das Bild hätte durch die Spiegel auf dem Kopf projiziert und später umgedreht werden müssen. Aber Rembrandt habe für gewöhnlich von oben nach unten gemalt, ergo: Die Pinselführung der Porträts müsste nach oben zeigen. Das tue sie nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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