Rubens und Brueghel unter dem Mikroskop

Ein Museumsbesuch, ganz ohne Kunst zu besichtigen: zu Gast bei Martina Griesser im Naturwissenschaftlichen Labor.
Ein Museumsbesuch, ganz ohne Kunst zu besichtigen: zu Gast bei Martina Griesser im Naturwissenschaftlichen Labor. Die Presse/Clemens Fabry
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Am Naturwissenschaftlichen Labor des Kunsthistorischen Museums in Wien untersuchen die Forscher Werke großer Berühmtheiten: neben Gemälden auch Münzen. Selbst die Saliera haben sie schon durchleuchtet.

Der Weg ins Labor führt vorbei an der Mumiensammlung, die Türen links und rechts vom Eingang weisen in die Restaurierwerkstätten. Die Nähe ist praktisch, denn Martina Griesser und ihr Team arbeiten eng mit den Restauratoren zusammen. Von diesen kommen die meisten Proben, winzige Teile von Gemälden und anderen Kunstwerken, die die Chemikerin buchstäblich unter die Lupe nimmt. Sie leitet das Naturwissenschaftliche Labor des Kunsthistorischen Museums Wien, das Einzige dieser Art an einem österreichischen Kunstmuseum.

Unter dem Lichtmikroskop liegt derzeit ein nicht einmal einen Millimeter großes Stück von Peter Paul Rubens „Gewitterlandschaft“: ein Tafelbild, das der Künstler für den eigenen Gebrauch geschaffen hat. Für 2017 ist eine große Rubens-Schau geplant, die oft mehrere Jahre dauernden Restaurierungsarbeiten laufen längst. Ebenso für die Brueghel-Ausstellung 2018. Was die Forscher im Naturwissenschaftlichen Labor herausfinden, bietet wichtige Hinweise für die Restaurierung der Kunstwerke.

Forschung im „Minimaßstab“

„Unser Labor ist klein, die Proben sind es auch“, sagt Griesser. In den zwei Räumen funktioniere eben alles im „Minimaßstab“. Mit einem Skalpell entnehmen die Wissenschaftler Proben von beschädigten Stellen oder vom Rand eines Gemäldes, die Restauratoren retuschieren sie später wieder. In Kunstharz eingelegt lassen sich die Farbschichten unter dem Mikroskop überprüfen. Welche Maltechnik nutzte der Künstler? Was verwendete er als Grundierung? Finden sich unter einer Übermalung noch Reste des Originals? Mit UV-Licht können die Forscher Farbstoffe identifizieren, und im als Bindemittel verwendeten Leim fluoreszieren etwa Eiweißstoffe weiß und blau. Das seien aber freilich nur Hinweise, noch keine Nachweise, so Griesser.

Will man es genauer wissen, kommt organisches Material wie eben Leim, aber auch Bienenwachs, Zucker oder Stärke, die in den Farben enthalten sind, in einem ersten Schritt in den Gaschromatografen. Griessers Mitarbeiter Václav Pitthard überwacht dort am PC, wie das Gerät – die Forscher nennen es die Blackbox – die verschiedenen Verbindungen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt. „Kaum eine Substanz kommt in ihrer Reinform vor, die meisten Bindemittel bestehen aus zahllosen Verbindungen“, sagt er. Altert ein Material, verändert es sich chemisch: Leinöl etwa bildet dann noch weit mehr Verbindungen.

Im Inneren verdampfen die verflüssigten Proben und schießen durch eine 30 Meter lange, aufgewickelte Kapillare, ein langes Röhrchen mit nur 0,25 Millimetern Durchmesser. In einem zweiten Schritt gilt es, die Stoffe zu identifizieren, dazu dient das integrierte Massenspektrometer. Die Ergebnisse werden mit einer Datenbank abgeglichen, die Pitthard selbst mit aufgebaut und an die Erfordernisse eines Kunstmuseums angepasst hat: „Die Industrie braucht ja keine Daten zu tausend Jahre altem Leinöl“, schmunzelt Griesser.

Labore, fast wie Flugzeughallen

Die Wissenschaftler untersuchen aber nicht nur Gemälde und Werke der bildnerischen Kunst; großes Renommee haben sie etwa mit ihren Arbeiten zur Korrosion bei Metallen erzielt: etwa antike Bronzemünzen aus den griechischen Provinzen des römischen Reichs, an denen sie stark bleihaltige „Nester“ identifiziert haben. Klarer Vorteil der Objekte: „Münzen sind leicht zu transportieren. Sonst müssen wir für unsere Analysen immer zum Objekt kommen, hier funktioniert es auch umgekehrt“, sagt Griesser. Für die Forschung fuhren sie mit den Münzen auch an Institute in der Schweiz und in Oxford. Dort seien die Forschungslabore so groß wie Flugzeughallen und voll mit Geräten. An den kaiserlichen Goldmünzen der hauseigenen Sammlung überraschten die braunen Flecken aber noch mehr: „Gold rostet nicht, für die Verunreinigung gab es anfangs daher keine Erklärung“, sagt Griesser. Sie löste das Rätsel gemeinsam mit ihrem Team und fand heraus, dass an den Dukaten Silber mit eingeprägt worden war. „In den Münzstätten wurden ja früher Gold, Silber und Kupfer parallel verarbeitet.“ Das Silber kontaminierte also das Gold. „Da der Kaiser immer die ersten Belegstücke bekam, dürfte das bei den Stücken aus unserer Sammlung am gravierendsten gewesen sein“, sagt Griesser. Als das Eichenholz der Schränke des Münzkabinetts eine saure und schwefelhaltige Umgebung bildete, entstanden die Flecken.

Um das herauszufinden, prägten die Forscher bei der Münze Österreich selbst Golddukaten und bestreuten sie mit Silberflitter. Da es sich um keine Fraßkorrosion, sondern nur einen optischen Schaden handelte, entschied man schließlich, die Münzen nicht zu restaurieren, sondern als Zeitdokument in der vorliegenden Form weiter aufzubewahren.

Ein Salzfass aus vielen Teilen

Auch das nach seiner Entführung wohl berühmteste Salzfass aller Zeiten haben die Wissenschaftler schon durchleuchtet: Mit Computertomografie konnten sie an der Saliera zeigen, dass Benvenuto Cellini sie nicht aus einem Stück fertigte, sondern meisterlich in vielen Arbeitsschritten zusammensetzte. Woraus die einzelnen Teile bestanden, klärten sie wiederum mit einem Röntgenfluoreszenzspektrometer, einem der wenigen mobilen Geräte des Labors.

Immer wichtiger wird die sogenannte präventive Konservierung: „Ziel ist, die Umgebung so zu gestalten, dass ein Schaden erst gar nicht entsteht“, sagt Griesser. Dabei geht es nicht nur um den Einfluss von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Die Forscher untersuchen etwa, wie viel Licht ein Kunstwerk verträgt oder welche Luftschadstoffe sich in einer Vitrine durch Kleber und Lackierung bilden. Und so gebe es immer Neues zu entdecken, sagt die Forscherin. Etwa auch, wenn nun mit der Neueröffnung des Wiener Weltmuseums Stücke aus Afrika zu untersuchen sind.

Eine Zeituhr läutet, Václav Pitthard öffnet die Abzugshaube, die Gase und Dämpfe fernhält. Die nächsten Proben sind für die Untersuchung bereit.

Lexikon

Das Naturwissenschaftliche Labor des Kunsthistorischen Museums Wien wurde 1996 gegründet. Als wissenschaftliche Abteilung dient es dem Erhalt und der Erforschung des Museumsbestands. Chemikerin Martina Griesser war von Anfang an dabei, ihr Team zählt heute fünf Köpfe. Forschungsfragen betreffen künstlerische Techniken und Materialien oder Alterungs- und Korrosionsvorgänge, die Arbeiten unterstützen die Restauratoren der hauseigenen Sammlungen bei der Arbeit. Immer wichtiger wird die präventive Konservierung, die das Auftreten von Schäden verhindern soll.

(Print-Ausgabe, 23.07.2016)

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