Strafe ober Belohnung? Zuckerbrot bringt mehr als Peitsche

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Martin Nowak, Österreicher in Harvard, zeigt mit "public goods games" spieltheoretisch, wie Kooperation gefördert wird. Zwar zeigen auch Strafen ihre Wirkung. Belohnungen steigern aber die Motivation.

Wenn wir die Wahl zwischen widerstreitenden Interessen haben, zwischen einem privaten – etwa der Freude an einem dicken Auto – und einem öffentlichen – etwa dem Schutz des Klimas –, wie entscheiden wir dann? Und wie kann diese Entscheidung so beeinflusst werden, dass das Hemd nicht näher sitzt als der Rock? Diese Fragen versucht die Spieltheorie mit Experimenten zu klären, das klassische ist das Gefangenendilemma, realitätsnäher sind „public goods games“: Es gibt vier Spieler, jeder erhält von einem Spielleiter Geld – echtes: 20 Einheiten, Euro etwa –, davon kann er in einen gemeinsamen Topf geben, so viel er will. Was sich darin sammelt, wird vom Spielleiter vermehrt – mit dem Faktor 1,6 multipliziert – und dann anteilig an die Spieler ausbezahlt.

„Am Anfang sind die meisten sehr hoffnungsvoll, halten die gemeinsame Sache für gut und zahlen viel ein“, berichtet Martin Nowak, österreichischer Mathematiker in Harvard, der „Presse“. Aber in den nächsten Runden merken die ersten, dass sie besser fahren, wenn sie nichts bezahlen, sie bekommen ja doch etwas. Dann bemerken andere die Trittbrettfahrer und tun es ihnen gleich. „So bricht langsam die Kooperation zusammen, das ist die ,tragedy of the commons‘“, erklärt Nowak. Lässt sie sich verhindern, lässt sich Kooperation erhalten, und wodurch? Eine naheliegende Hoffnung setzt auf Strafe: Nach einer Runde „public goods games“ kommt eine private Spielrunde, in der die Teilnehmer miteinander abrechnen können. Ein Kooperativer kann einen Trittbrettfahrer bestrafen, indem er eine Geldeinheit aus seinem privaten Fundus nimmt, der andere muss dann drei entrichten.

Strafen wirkt, ist aber teuer

Das ist ein „altruistisches Strafen“, weil auch der Strafende etwas verliert, aber es funktioniert. Das verleitete viele Forscher dazu, nur in Strafe das Heilmittel der Kooperation zu sehen. „Mir hat das von Anfang an nicht gefallen“, erklärt Nowak: „Dadurch wird der Schaden ja noch größer, als wenn nur jemand nicht kooperiert.“

Deshalb hat es Nowak mit der Alternative versucht: Belohnung (ein Spieler investiert eine Einheit aus seinem privaten Fundus, ein anderer bekommt dafür drei). Belohnung kam zwar früher in „public goods games“ auch schon ins Spiel und zeigte wenig Erfolg. Aber diese Spiele waren auf nur eine Runde angelegt. „In den meisten Situationen des Lebens, und vor allem in denen, die uns in der Evolution geprägt haben, ist es nicht so. Da kennen wir die anderen, wir sind in einer wiederholten Situation.“

Deshalb ließen die Forscher ihre Testpersonen in einer wiederholten Situation spielen, Runde um Runde, in manchen Gruppen wurde bestraft, in anderen belohnt. Dabei zeigte sich zunächst, dass Strafe und Belohnung gleichermaßen geeignet sind, Kooperation herbeizuführen. Entscheidend ist nicht Strafe oder Belohnung, sondern die Fortsetzung des Spiels in der zweiten, privaten Ebene – der des Belohnens/Bestrafens –, in der sich eine eigene Ökonomie etabliert: Wer einen in der letzten Runde für eine gute Tat im „public goods game“ privat belohnt hat, den belohnt man vielleicht in der nächsten selbst (und motiviert sich so wechselseitig zu neuen guten Taten für das gemeinsame Interesse).

Zieht man Gesamtbilanz beider Ebenen, kann Strafe zwar Kooperation erzwingen, sie ist aber mit Schaden für alle verbunden. Beim Belohnen ist es gerade umgekehrt, bei dieser Stärkung der Kooperation gewinnen alle, das gemeinsame Interesse und die Individuen (Science, 325, S.1272).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2009)

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