Mit „Gregor“ kommen Forscher der Sonne näher

Wolkenstimmung
Wolkenstimmung(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
  • Drucken

Astronomie. Durch bessere Teleskope und Speichermedien entwickelt sich die Disziplin rasch weiter. Berechnungen von Grazer Wissenschaftlern sind allerdings noch exakter als die Beobachtungen der Sonnenereignisse.

Teneriffa lockt nicht nur Urlauber an: Auf dem Berg Izaña steht in 2400 Metern Höhe „Gregor“, Europas größtes Sonnenteleskop. Sein Hauptspiegel hat 1,5 Meter Durchmesser. Durch die aus insgesamt drei Spiegeln bestehende Optik Gregors können Astronomen Objekte auf der gleißend hellen Sonne bereits ab 70 Kilometern Durchmesser erkennen.

Das nutzen auch österreichische Forscher, um die Sonne in bisher ungekannter Genauigkeit zu beobachten. „Die Sonne ist nicht homogen, durch ein Teleskop betrachtet hat sie ein zellförmiges Muster“, sagt Arnold Hanslmeier von der Uni Graz. Den Physiker und Astronomen interessieren die äußeren Schichten der Sonne besonders. Dort strömen heiße Gase nach oben, sinken ab und lösen sich wieder auf. Auf den Aufnahmen Muster zu erkennen und richtig zu deuten, fordert die Forscher. Sie entwickeln dazu Algorithmen, also Rechenschritte am Computer. Ihre Modelle verfeinern sie wiederum ständig auf Basis der Beobachtungen. So ergibt sich ein permanentes Wechselspiel zwischen Annahme und Realität, bei dem die Modelle sogar exakter sind: „Wir hinken mit der Beobachtung hinterher“, sagt der Astronom. Wie kann das sein? „Weil wir die Gitterpunkte im Modell mit geringen Abständen von zehn oder 20 Kilometern berechnen.“ Nicht einmal die Auflösung eines der weltweit besten Teleskope kann da mithalten.

Weltraumwetter stört die Erde

Was auf der Sonne passiert, kann direkten Einfluss auf die Erde haben. So können Sonnenstürme Stromausfälle verursachen und Radiowellen stören. Mitunter sind es also nicht Gewitter oder Schneemassen auf Sende- bzw. Empfangsanlagen, also irdische Wetterphänomene, die Radio- oder TV-Programme unterbrechen, sondern das Weltraumwetter.

Die Sonne könnte in den nächsten Jahren aber auch die Klimaerwärmung verlangsamen, so Hanslmeier. Denn in ihrem sich etwa alle elf Jahre wiederholenden Zyklus steuert sie derzeit auf eine weniger aktive Phase zu. Anzeichen wie weniger Eruptionen und weniger Sonnenflecken würden jedenfalls dafürsprechen.

In mehreren vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekten hat Hanslmeier das Wissen über die Sonne schon erweitert. „Die Sonne ist der Paradestern für das gesamte Verständnis in der Astrophysik“, sagt der Präsident der weltweiten Vereinigung der Sonnenforscher (Joso). Durch ihre relativ geringe Distanz von durchschnittlich 150 Millionen Kilometern – die Entfernung variiert leicht durch die elliptische Bahn, auf der die Erde um sie kreist – sei sie der einzige Stern, bei dem man auch Details beobachten könne. Ansonsten seien Sterne aus der Ferne ja nur als Punkte zu sehen.

Durch die immer besseren technischen Möglichkeiten – vor allem bei Teleskopen und Speichermedien – sei die Astronomie eine der sich in den vergangenen Jahren am rasantesten entwickelnden Wissenschaften. „Heute beobachten wir Sterne und Planeten nicht mehr nur von der Erde aus, sondern auch aus dem Weltraum“, sagt der Forscher.

„Ein Terabyte ist nichts“

Sowohl bei Beobachtungen als auch bei Berechnungen fallen riesige Datenmengen an, die Forscher greifen zur Auswertung auf mehrere vernetzte Rechner zurück. „Ein Terabyte (1012 Bytes, Anm.) ist faktisch nichts für einen einzigen Datensatz“, sagt Hanslmeier. Dabei passiert in der Weltallforschung schon lange, was sich woanders erst langsam durchsetzt: Nach drei Monaten, in denen sie dem Projektleiter gehören, stehen die Daten Forschern in aller Welt zur Verfügung.

Werden die Daten aus Teneriffa eigentlich automatisch übermittelt, oder müssen die Grazer Wissenschaftler immer wieder auf die Kanaren fahren? „Zum Glück müssen wir auch noch vor Ort sein“, schmunzelt Hanslmeier. Etwa für die genauen Einstellungen. Nur im stillen Kämmerlein zu forschen sei ja außerdem auch langweilig. (gral)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.