Von den Flossen der Fische zu unseren Händen

Maus (l.), Fisch (r.): In Händen und Flossen sind die gleichen Gene aktiv, das Leuchten zeigt es.
Maus (l.), Fisch (r.): In Händen und Flossen sind die gleichen Gene aktiv, das Leuchten zeigt es.(c) Shubin Lab
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Obwohl die Knochen der Fische aus einem ganz anderen Material gebaut sind, wird ihre Entwicklung zu den Strahlen der Flossen von den gleichen Genen gesteuert wie bei Vierbeinern die der Finger und Zehen.

„Was kann wunderlicher sein, als dass die zum Greifen gebaute Hand des Menschen und die Grabhand des Maulwurfs und die Schwinge der Fledermaus alle nach demselben Prinzip gebaut sind und ähnliche Knochen in ähnlichen Positionen haben?“ Das fragte Darwin, er meinte es rhetorisch, für ihn war die Antwort klar: Alle Genannten hatten ihre Gliedmaßen, die in Fingern endeten, von einem gemeinsamen Ahnen.

Aber von wem? Das konnte Darwin mit seinen Mitteln nicht klären. Die naheliegendste Vermutung war, dass der gemeinsame Ahn ein Fisch war, der aufs Land stieg und sich an dessen Bedingungen anpasst. Diese Übergangsform blieb lange Postulat, erst 2004 konnte Neil Shubin, Biologe an der University of Chicago, das Missing Link finden – er nannte es Tiktaalik –, es war vor 370 Millionen Jahren zum Ahnen aller Vierbeiner geworden (Nature 440, S. 757).

Aber wie kamen viele von denen dann zu Händen? Die Brustflossen der Fische sehen nicht nur ganz anders aus, sie sind auch aus anderem Material gebaut: Unsere Handknochen sind chondral, sie werden aus Bindegewebe gebildet, über eine Zwischenstufe, Knorpel. Von diesem Knochentyp haben Fische auch, aber nur wenig, am Ansatz der Brustflossen bzw. ihrer Strahlen, deren Rest besteht aus dermalen Knochen, die direkt aus Haut gebildet werden.

Es ist also ein anderes Material. Aber seine Entwicklung wird von den gleichen Genen gesteuert: Sie gehören zur Hox-Gruppe, und 2013 bemerkte man, dass sich nach dem Ausschalten von zweien bei Mäusen keine Finger/Zehen entwickelten. Bei Fischen konnte man damals gentechnisch nicht so in Embryos eingreifen, heute geht es, mit der jüngsten Technik, Crispr. In Shubins Labor wurden damit die beiden Gene in Zebrafischen ausgeschaltet: Nun wuchsen nur kurze Flossen und keine Strahlen darin. Aktiviert man umgekehrt die Gene und verbindet man sie mit Leuchtgenen, zeigen die ihre Aktivitäten so weit vorn in den Strahlen der Flossen wie in den Fingern der Mäuse (Nature 17. 8.).

Offenbar sorgen die Gene dafür, dass Stammzellen wandern, die sich im einen Fall zu chondralen, im anderen zu dermalen Knochen entwickeln (Nature 17. 8.). Damit ist noch keine ganze Hand da, sie braucht einen breiten Teller, der kam auch beim Ausschalten der Hox-Gene: Statt in die Länge zu gehen, machten sich die Flossen am Ansatz breit. Das gab schon Tiktaalik eine Stütze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2016)

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