Schimpansen raufen sich rasch zusammen: „Ho ruck!“

Schimpansen beim ziehen an einem Seil.
Schimpansen beim ziehen an einem Seil.(c) Frans de Waal
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Kooperation ist kein Privileg des Menschen. Unsere Cousins bevorzugen sie auch, wenn sie nur Gelegenheit dazu haben.

Was den Menschen zum Menschen macht, ist eine so drängende wie alte Frage. Platon etwa versuchte es mit einer pragmatischen Definition: Der Mensch sei „ein ungefiedertes, zweibeiniges Wesen“. Das regte den Spötter Diogenes dazu an, ein Huhn zu rupfen und es Plato vor die Füße zu werfen: „Da hast du deinen Menschen!“ Die Anekdote berichtet Primatologe Frans de Waal (Emory) gerne, er ist kein Spötter, reiht sich aber in einer Hinsicht in die Nachfolge des Diogenes ein: „Seit Platons Scheitern tat sich die Menschheit schwer damit, den ultimativen Beweis ihrer Einzigartigkeit zu finden.“

Denn so gut wie alles von dem, was man für unsere Privilegien hielt, ist in den letzten Jahrzehnten erodiert, viele Tiere können es auch, unsere Cousins etwa, die Schimpansen. Sie nutzen vielfältige Werkzeuge, sie verstehen Symbole – können zwar nicht reden, aber sich in Gebärdensprachen einlernen –, sie haben auch die Besonderheit, die wir lieber nicht hätten: Sie führen Kriege, überfallen Nachbarn, ohne Not, und schlagen sie tot.

Das tun sonst nur wir, aber das Pendel bei den Definitionsversuchen schlug in den letzten Jahren exakt in die Gegenrichtung aus: Das Besondere am Menschen sei seine Kooperation, sie sei eine „große Anomalie“ im Reich des Lebens, nur durch sie habe sich unser Gehirn so stark entwickelt. Das findet zwar empirisch kaum Bestätigung – im Gegenteil: kooperiert wird überall und oft viel enger, etwa bei sozialen Insekten –, aber es hält sich. Und ausgerechnet die Schimpansen scheinen es zu bestätigen, zumindest die, mit denen Michael Tomasello (Leipzig) experimentiert: Der findet zwar hohe Intelligenz, aber keinerlei Kooperation, und das seit Jahren, in immer neuen Experimenten.

„Wenn man etwas nicht findet, heißt es nicht, dass es das nicht gibt“, entgegnet de Waal und verweist darauf, dass viel am Design der Experimente liegt: Oft wurde das Kooperationsvermögen von Schimpansen etwa an Geräten geübt, an denen zwei gleichzeitig auf Knöpfe drücken mussten, um eine Belohnung zu erhalten. Und oft wurden zwei Individuen einer Gruppe zu einem Experiment zusammengespannt.

Entscheidend: Design der Experimente

Aber Knöpfe gibt es in der Natur nicht, und Kooperationspartner suchen vielleicht auch Schimpansen lieber selbst aus: Deshalb hat de Waal im Hof seiner Forschungsstation einen Apparat aufstellen lassen, bei dem es die Belohnung gibt, wenn an zwei (oder drei) Seilen zugleich gezogen wird, dann hat er eine ganze Gruppe von elf Schimpansen in den Hof gelassen. Ab diesem Zeitpunkt sah er nur noch zu bzw. eine Kamera tat es.

Die Schimpansen erkundeten das Gerät, erste verstanden die Funktion der Seile, manche taten sich zusammen. So kooperativ ging es los, aber dann verstanden immer mehr die Funktion, und es kamen Trittbrettfahrer, die mitnaschten, ohne zu arbeiten. Nun überwog Konkurrenz, aber nicht lange, die Kooperation wurde von Runde zu Runde stärker, am Ende setzten alle Individuen meist auf sie, nur eines nicht, es betrog immer.

Die anderen lernten rasch und zogen sich zurück, wenn das eine auftauchte. Das war generell der zentrale Mechanismus zur Förderung der Kooperation: die freie Wahl der Partner. Die Tiere bestraften Trittbrettfahrer auch direkt, mit Drohgesten und Bissen, und sie griffen ein, wenn sie als Unbeteiligte Betrug sahen. Entscheidend aber war die freie Partnerwahl: Die Tiere setzten auf Kooperation vor allem mit solchen Gruppenmitgliedern, die einen ähnlichen Rang hatten (Pnas 23. 8.). „Unsere nächsten Verwandten wissen sehr gut, wie man Trittbrettfahrer entmutigt“, schließt de Waal: „Kooperation gewinnt!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2016)

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