Zweite Erde, endlich entdeckt?

Zweite Erde, endlich entdeckt?
Zweite Erde, endlich entdeckt?(c) APA/AFP/EUROPEAN SOUTHERN OBSERV (DAVIDE DE MARTIN/MAHDI ZAMANI)
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Bei Proxima Centauri, dem nächsten Nachbarn der Sonne, wurde ein Exoplanet gefunden, der nur ein wenig größer ist als unserer und flüssiges Wasser haben könnte. Leben ist trotzdem auf ihm wenig wahrscheinlich.

„Wo sind sie nur alle?“ Das fragte der Physiker Enrico Fermi 1950, als ihm ein kosmischer Zwiespalt auffiel: Allein die Milchstraße hat geschätzte 250 Milliarden Sterne – Himmelskörper wie unsere Sonne –, viele von ihnen haben vermutlich Planeten, auch solche wie die Erde, und zumindest auf einigen hätte sich Leben entwickeln müssen, intelligentes gar. Aber zur Erde kam das nicht – aller UFO-Hysterie der frühen 1950er-Jahre zum Trotz –, und von ihr aus war nichts zu sehen, später auch nichts zu hören, als man auf Radiosignale aus dem All zu lauschen begann.

„Der weit verbreitete Glaube, es gäbe viele technologisch fortschrittliche Zivilisationen, in Verbindung mit unseren Beobachtungen, die das Gegenteil nahelegen, ist paradox.“ So formulierte es Fermi, es ging als Fermi-Paradox in die Geschichte ein. Gelöst ist es bis heute nicht, man ist nur bescheidener geworden und wäre schon froh, wenn man irgendwelche Spuren von Leben sichten würde, intelligentes muss es nicht sein. Aber die Chancen in unserem eigenen Planetensystem sind gering: Leben in der uns bekannten Form kann nicht überall gedeihen, es braucht Planeten, die aus Gestein sind wie die Erde – keine Gasplaneten wie Jupiter –, und die müssen in der habitablen Zone sein, so weit weg von ihren Sternen, dass es auf ihnen Wasser in flüssiger Form geben kann.

Erster Planetenjagderfolg: 1995

Also ging man auf die Jagd nach Exoplaneten, 1995 wurde der erste gesichtet, in 50 Lichtjahren Entfernung, 51 Pegasi b. Die Freude war groß, aber Leben gab es dort nicht, dieser Planet war ein riesiger Gasplanet, auf dem obendrein höllische Temperaturen herrschten, man nannte diesen Planeten einen „heißen Jupiter“. Von diesem Typ waren alle ersten Funde, dann sichtete man auch andere, Supererden etwa, das sind Gesteinsplaneten mit einer viel größeren Masse als die Erde. Etwas so Kleines wie die Erde zeigte sich nicht, obgleich man inzwischen 3500 Exoplaneten kennt. Zwar wurden viele Funde als Sensationen verkauft: Man habe eine zweite Erde entdeckt. Aber man hatte nicht, die meisten Planeten waren viel zu nahe an ihren Sternen.

Nun könnte es so weit sein, ein Team um Guillem Anglada-Escudé (Queen Mary University, London) hat einen Kandidaten vorgestellt: Er kreist in 4,2 Lichtjahren Entfernung um den Stern, der der nächste Nachbar unserer Sonne ist, das zeigt er auch im Namen: Proxima Centauri, sein Planet heißt Proxima Centauri b. Er ist nur ein wenig größer als die Erde – hat 1,3 Erdmassen –, und er umkreist seinen Stern in einem Abstand, der flüssiges Wasser ermöglichen, also habitabel sein könnte. Zwar ist er sehr viel näher an seinem Stern als die Erde der Sonne – 7,5 Millionen Kilometer, zwischen Erde und Sonne liegen 150 Millionen –, und er umkreist ihn sehr viel rascher, in 11,2 Tagen.

Aber habitabel könnte er doch sein, weil sein Stern ein ganz anderer ist als unsere Sonne. Er ist ein sogenannter Roter Zwerg Typ M, hat nur elf Prozent der Masse der Sonne und 0,15 Prozent ihrer Leuchtkraft, mit bloßem Auge sieht man ihn von der Erde aus nicht. Aber mit Teleskopen hat man ihn schon lang im Auge, denn er ist ein Flarestern, er flackert, weil er aufgrund seiner magnetischen Aktivität seine Helligkeit stark ändert und Eruptionen aus sich schleudert, Röntgen- und UV-Strahlen. Man glaubte 1998 schon, Spuren eines Planeten gesichtet zu haben, man fand sie kein zweites Mal, die Nasa stellte 2010 ihre Suche ein.

Aber auch die Europäische Raumfahrtagentur ESA war hinter einem Planeten bei Proxima Centauri her, sie hatte zwischen 2000 und 2008 Hinweise gefunden und beobachtete zwischen Januar und April 2016 regelmäßig mit erdbasierten Teleskopen, vor allem dem in La Silla in der chilenischen Atacama-Wüste. Man nannte das Projekt „Pale Red Dot“ – das spielte darauf an, dass der Astronom Carl Sagan die Erde „Pale Blue Dot“ genannt hatte und die mögliche zweite Erde von ihrem Stern in rotes Licht gehüllt wird –, man suchte man nach einem leichten Zittern des Sterns: Planeten konnte man lang nur indirekt sichten, an ihrer Wirkung auf den Stern: Wenn sie den umkreisen, bringen sie ihn mit der Gravitation ins Zittern; und wenn sie ihn so umkreisen, dass sie zwischen dem Stern und dem Beobachter vorbei ziehen, verändern sie seine Helligkeit.

Hat er Magnetfeld und Atmosphäre?

Man fand ein Zittern, aber man musste sich absichern, weil Proxima Centauri mit seinen Flares auch selbst ein Zittern verursachen kann. Deshalb schloss man seine aktive Phasen aus den Daten aus: In den restlichen war die Signatur des Planeten (Nature 24. 8.). Ob der allerdings habitabel ist, ist zweifelhaft: Die Temperaturen könnten passen, aber die Aktivitäten – besonders die der Röntgenstrahlen – würden Leben auf dem Planeten kaum zulassen. Es sei denn, er hat ein Magnetfeld, das ihn so abschirmt wie unseres das gegenüber den Aktivitäten der Sonne tut. Eine Atmosphäre braucht er auch, und ob er die hat, zeigt die Erkundungsmethode nicht. Das könnte aus der Ferne nur geklärt werden, wenn der Planet sichtbar an seinem Stern vorbeizöge. Die Forscher schließen es nicht ganz aus, aber die Wahrscheinlichkeit liegt bei ganzen 1,5 Prozent.

Immerhin, eines weiß man: Jahreszeiten gibt es nicht auf Proxima b: Er wendet seinem Stern immer die gleiche Seite zu. Alles Weitere werden nur die Weltraumteleskope der nächsten Generation zeigen – oder eine direkte Erkundung: Die Forscher schlagen eine Raumsonde vor. Die würde lang brauchen, auch wenn es nur 4,2 Lichtjahre sind. Und vielleicht käme die Sonde dann doch zu früh auf dem Nachbarn und Verwandten an, das vermutet der jüngste Versuch, das Fermi-Paradox zu lösen, er stammt vom Harvard-Astronomen Abraham Loeb: Demnach haben wir bisher noch kein anderes Leben gesichtet, weil es noch keines gibt und das unsere eine kosmische Frühgeburt ist. Anderswo muss es sich erst entwickeln, und es hat alle Zeit, vor allem bei Roten Riesen: Die werden sehr viel älter als unsere Sonne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2016)

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