Hunde verstehen jedes Wort

Trainiert auf die Röhre des Computertomografen
Trainiert auf die Röhre des Computertomografen(c) Enikö Kubinyi
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Die alten Begleiter des Menschen verarbeiten von ihm gehörte Wörter in Gehirnzentren, die auf Gehalt und Klang spezialisiert sind. So tun wir selbst es auch.

Wenn Herrl oder Frauerl mit ihrem besten Freund reden, tun sie das oft so, als wäre ihr Gegenüber ein Mensch und würde jedes Wort verstehen. Als Außenstehender schüttelt man leicht den Kopf darüber, auch wenn man weiß, wie einzigartig die Beziehung dieses domestizierten Tiers zu seinen Haltern ist: Hunde verstehen viel, sie können etwa Gesten folgen, man muss nur mit der Hand irgendwohin deuten. Oder mit den Augen, auch denen folgen sie, es gibt gar die Vermutung, dass uns das auch geprägt hat: Nur wir haben Weißes im Auge, bei Affen sind die Augen dunkel. Vielleicht haben wir uns das im Lauf unserer gemeinsamen Geschichte mit den Hunden zugelegt: Mit dem dunklen Fleck inmitten von Weiß können wir sie leichter dirigieren.

Aber sie lesen nicht nur in unseren Augen, sie lesen im ganzen Gesicht, sehen auf den ersten Blick, ob jemand fröhlich gestimmt ist oder zornig, und der Jemand kann ein Wildfremder sein. Nun ja, sie kennen uns seit mindestens 16.000 Jahren, spätestens da wurden Wölfe domestiziert, es kann auch viel früher gewesen sein, es ist hoch umstritten, wo und wann es geschah.

Natürlich haben sie sich lange schon daran gewöhnt, unserer Stimme zu folgen, im Sinne des Gehorchens von Befehlen. Aber auch in dem Sinn, dass man irgendetwas auf sie einreden kann und sie es verstehen? Wie und woher sollte man das wissen? Man müsste ihnen ja ins Gehirn schauen! Exakt das hat Attila Andics, Ethologe an der Eötvös Loránd Universität in Budapest, getan: Er hat 18 Hunde, die von ihren Haltern ins Labor begleitet wurden, darauf trainiert, in die Röhre eines Computertomografen zu kriechen und sich ganz ruhig hinzulegen. Gezwungen wurden sie nicht, sie konnten die Röhre bzw. das Experiment auch jederzeit verlassen.

Interpretiert wird das Was und das Wie

Wenn sie aber drin blieben, bekamen sie etwas zu hören, eine Frauenstimme vom Band sagte entweder Lobendes („gut gemacht“) oder Bedeutungsloses („als ob“), und sie sagte es entweder neutral oder mit lobendem Ton. Kam dieser, wurde eine Region in der rechten Gehirnhälfte aktiv, so ist es auch bei uns, dort werden emotionale Signale verarbeitet. Für den sachlichen Inhalt der Rede ist bei uns hingegen die linke Gehirnhälfte zuständig. Bei den Hunden ist es ganz genauso: Wenn sie das „gut gemacht“ vernehmen – ganz gleich, ob lobend oder neutral gesprochen –, folgen Aktivitäten in der linken Gehirnhälfte. Auf das bedeutungslose „als ob“ folgt nichts, offenbar wird es als bedeutungslos erkannt – und verworfen.

Und wenn das „gut gemacht“ nun auch noch lobend ausgesprochen wird? Dann folgt nicht nur nur links und rechts im Gehirn Aufregung, sondern noch an einem ganz besonderen Ort, im Belohnungszentrum (Science 353, S. 1030): „Hunde können nicht nur auseinanderhalten, was wir sagen und wie wir es sagen“, erklärt Andic, „sie können auch beides kombinieren, um die Bedeutung von Wörtern richtig zu interpretieren, das ist ganz ähnlich wie bei uns.“

Aber Wörter haben doch nur wir, im Tierreich gibt es allenfalls rudimentäre Ansätze, etwa unterschiedliche Alarmrufe bei unterschiedlichen Gefahren. Hunde haben keine Wörter, wie können sie dann verstehen? Offenbar haben sich Gehirne sehr früh, lange vor uns, darin eingelernt, Lautsequenzen in spezialisierten Zentren nach zwei Kriterien zu verarbeiten – sachlicher und emotionaler Gehalt –, Hunde etwa müssen schließlich Gebell richtig interpretieren: „Das Einzigartige an uns ist nicht, dass wir Wörter verarbeiten können“, schließt Andic, „sondern dass wir sie erfinden können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2016)

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