Hinab zu den Quellen!

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Den Tiefseevulkanen haben wir alles zu danken: Sie haben das Leben entstehen lassen, und sie regulieren auch das Klima so, dass es gedeihen kann.

Well, there's all these animals down here!“ Mit diesem Satz wurde in der Biologie ein neues Kapitel aufgeschlagen, er tönte am 17. Februar 1977 aus über 2000 Metern Tiefe vom Meeresboden nahe den Galapagos-Inseln. Dort war das Forschungs-U-Boot Alvin hinter etwas her, was man noch nie gesehen hatte: einem Tiefseevulkan. Die Alvin sichtete einen, die Forscher waren begeistert, sie waren Geologen, und ihnen gingen die Augen noch mehr über, als sie sahen, dass rund um den Vulkan auf dem eisigen lichtlosen Meeresboden Leben wuselte. „Heißt es nicht, der tiefe Ozean sei eine Wüste?“, fragten sie hinauf zum Mutterschiff.

„Ja“, schallte es zurück, und dann kam der Satz mit all den Tieren. Mit denen konnten die Geologen wenig anfangen, sie holten mit Roboterarmen einige ein, aber sie waren auf den Fang nicht vorbereitet, versuchten ihn mit dem einzigen Konservierungsmittel zu erhalten, das an Bord war: russischem Wodka. Später kamen Meeresbiologen, oft auch von der Uni Wien, sie inventarisierten das üppige und teils höchst exotische Leben: Shrimps, Muscheln, riesenhafte Röhrenwürmer.

Alles gedeiht in bzw. von der kochheißen Brühe, die aus den Vulkanen schießt und mit ihren Giften, Schwefelwasserstoff vor allem, zunächst Bakterien nährt. Bald fand man verschiedene Typen und nannte sie nach ihren Ausdünstungen Schwarze Raucher und Weiße Raucher. Man hielt sie für eher rar, obwohl sie theoretisch überall dort aus dem Meeresboden ausbrechen können, wo der Planet fragil vernäht ist: Wo die Erdplatten auseinanderdriften, längs durch den Atlantik und den Pazifik: „Der 40.000-Meilen Vulkan“ titelten im Frühjahr die „New York Times“. Das war leicht journalistisch überhöht, aber die jüngste Bilanz von Edward Baker (Seattle) zeigt, dass die Zahl der vulkanisch aktiven Abschnitte stark nach oben korrigiert werden muss (Earth and Planetary Science Letters 449, 186).

Und nicht nur die Zahl, die Bedeutung auch: Nach jetzigem Stand waren Tiefseevulkane die Quellen des Lebens, an ihnen begann es: Zum einen ist chemisch dort viel versammelt, was zu seinen Grundbausteinen werden konnte; zum anderen ließen sich die Biomoleküle dort physikalisch aufkonzentrieren, lang bevor es es Zellmembranen gab: in Gesteinsporen (siehe „Presse am Sonntag“ 31. 8. 2014). Darauf deuteten bisher Laborexperimente, nun hat William Martin (Düsseldorf) Bestätigung in den Genen gefunden: Er hat aus denen des heutigen Lebens die des postulierten Ahnen – er heißt Luca: last universal common ancestor – rekonstruiert: „Das Leben entstand in einer hydrothermalen Umwelt.“ (Nature Microbiology 25. 7.)


Ende der Eiszeiten. Nun war das Leben da, nun brauchte es konstante Umweltbedingungen, halbwegs wenigstens: Zu heiß darf es nicht werden, zu kalt auch nicht, das vor allem. Aber das Klima schwankt, der Himmelsmechanik wegen, einmal ist die Erde näher an der Sonne, dann ist sie weiter weg, ihre Achse ist auch nicht immer gleich geneigt. Das summiert sich zu den Zyklen von Eiszeiten und Zwischeneiszeiten – eine genießen wir –, benannt wurden sie nach ihrem Entdecker Milanković: Auf 100.000 eisige Jahre folgen 10.000 mildere, dann wird es wieder kalt.

Dann wird es wieder warm. Wie das? Die Abkühlung lässt sich leicht erklären: Sie kommt, wenn die Erde weiter weg ist von der Sonne, und in ihrem Gefolge kommt ein „run away“ in Gang: Eis gebiert Eis, der Albedo wegen, sie ist das Maß der Reflexion der Sonnenstrahlung durch Oberflächen. Dunkles Land oder Wasser reflektiert nicht viel, Eis tut es und kühlt automatisch weiter. Was kann diesen Lauf umkehren? Die periodische Annäherung der Erde an die Sonne allein schafft das nicht. Einen möglichen Mechanismus bemerkte Maya Goya (Columbia University), als die US-Marine geheimes Material freigab: Die wusste lang vor der zivilen Forschung, dass es auf dem Meeresboden brodelt, sie hatte große Ohren im Meer, zum Erlauschen feindlicher U-Boote. Neun Jahre konnte Goya auswerten, in jedem rumpelten die Vulkane zwischen Frühjahr und Sommer, sonst nicht. Zwischen Frühjahr und Sommer? Da sorgt die Entfernung der Sonne von der Erde für die stärksten Gezeiten, der Druck der Wassersäule auf den Meeresboden ist bei Flut höher und bei Ebbe tiefer als sonst.

Dann brechen die Vulkane leichter aus dem Meeresboden. Der Fund regte Goya dazu an, größere Perioden in den Blick zu nehmen, die Eiszeiten: In ihnen ist viel Wasser vergletschert, die Meeresspiegel fallen Hunderte Meter, die Vulkane können mit extremer Kraft loslegen – und extrem viel CO2 spucken, das bringt das Ende der Eiszeiten. Bestätigt wird das Szenario durch die Schichtungen der Tiefseevulkane, sie sind zu Eiszeitenden viel mächtiger (Geophysical Research Letters 42, S. 1346).

Aber das periodische Aufebben der Vulkane reicht nicht: CO2 bzw. Kohlenstoff kommt nicht nur aus den Ozeanen, es strömt auch hinein. Dort darf es nicht bleiben, sonst würde es ewig eisig: Ohne den natürlichen Treibhauseffekt hätte die Erde eine Durchschnittstemperatur von minus 18 Grad. Deshalb muss der Kohlenstoff wieder aus dem Meer heraus, vor allem der im gelösten organischen Material, dissolved organic matter (DOM). Das ist Kohlenstoff, von dem man kaum etwas weiß –, 95 Prozent der Moleküle sind laut Torsten Dittmar (Bremen) in ihrer Struktur unbekannt –, er geht deshalb nicht in Klimamodelle und Berichte des Uno-Klimabeirats ein. Fest steht nur so viel: DOM wird von Bakterien produziert, kann aber weder von ihnen noch von anderem Leben genutzt werden, weil seine Bindungen sich nicht aufbrechen lassen. Und: Im DOM ruhen gigantische Mengen Kohlenstoff, 662 Milliarden Tonnen, mehr als in allen Landpflanzen (610 Mrd.) und nicht viel weniger als in der Atmosphäre (835 Mrd.).

In die muss es wieder. In die kann es aber nur, wenn es bioverfügbar wird. Wieder helfen Tiefseevulkane, Dittmar hat es gezeigt, er hat DOM im Labor auf 380 Grad erhitzt, so viel hat es leicht in den Vulkanen. Das bricht die Verbindungen auf (Nature Geoscience 8, S. 856). Die Hitzemühlen mahlen so langsam wie fein: Die Meere sind groß, aber nach 40 Millionen Jahren ist jeder Liter durch Spalten in Vulkane geraten und aus ihnen herausgeschossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2016)

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