"Man darf jetzt nicht das Nationale herausstreichen!"

Ephesos-Grabungsleiterin Sabine Ladstätter.
Ephesos-Grabungsleiterin Sabine Ladstätter.(c) APA/H.SCHWAIGER
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„Die Tür ist für alle Wissenschaftler offen. So soll es auch bleiben!“, sagt Ephesos-Grabungsleiterin Sabine Ladstätter.

Die Presse: Ist alles zu Ende für die Archäologen aus Österreich in Ephesos?

Sabine Ladstätter: Ich rechne, ehrlich gesagt, nicht damit, dass alles zu Ende ist. Aber: Wir haben für dieses Jahr die gesamte Grabung vorzeitig geschlossen. Das inkludiert die Arbeiten im Feld, die Restaurierungsarbeiten, die Arbeiten im Depot mit Keramik und Münzen. Die Leute reisen kontinuierlich ab. Wir versuchen die ursprünglichen Reisetermine einzuhalten, weil Umbuchungen zusätzliche Kosten verursachen. Ende dieser Woche beginnt in der Türkei das Opferfest. Da wären sowieso viele Leute weggefahren, weil sie Urlaub nehmen.

Wenn die Archäologen abreisen, wird auch die Finanzierung eingestellt?

Ja. Wir haben das österreichische Budget von etwa 400.000 Euro und private Geldgeber, nicht nur aus Österreich. Die größten Privatsponsoren kommen aus der Türkei.

Gibt es eine Chance, dass die türkische Entscheidung zurückgenommen wird?

Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern müssen sich wieder verbessern. Dann sehe ich durchaus optimistisch in die Zukunft. Und das ist kein Zweckoptimismus. Das meine ich ehrlich.

Es heißt, die Türkei hat inzwischen genügend Einnahmen aus dem Tourismus in Ephesus. Daher wird gewünscht, dass türkische Wissenschaftler dort arbeiten.

Ich halte sehr viel von den türkischen Wissenschaftlern. Wir haben dieses Jahr, glaube ich, an die 30 türkische Archäologen, die in unserem Team sind. Die Österreicher sind hier ja nicht die Einzigen, zahlreiche Nationen arbeiten in der Türkei. Das Land ist extrem reich an archäologischen Denkmälern. Es ist mit sehr hohen Kosten verbunden, diese zu erhalten. Es gibt nur zwei oder drei archäologische Stätten, wo die Einkünfte aus der Archäologie höher sind als die Ausgaben. Es gibt einen Index in der Türkei, der von knapp 3000 archäologischen Stätten ausgeht, die zu konservieren sind.

Gibt es in der Türkei eine Altertumsverwaltung wie in Ägypten?

Ja, es gibt im türkischen Kulturministerium eine Altertumsverwaltung. Was wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, war der Aufbau eines internationalen Teams. Das ist zwar eine österreichische Lizenz, aber wir arbeiten mit unterschiedlichsten Forschungseinrichtungen in Europa zusammen, aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und eben der Türkei. Meine Vision war, hier eine internationale Plattform von europäischer Dimension aufzubauen.

Die Beendigung der Grabungs- und Forschungsarbeit muss eine große Enttäuschung für Sie gewesen sein.

Enttäuschung würde ich das nicht nennen. Es war ein richtiger Schock, den ich selbst körperlich gespürt habe. Jetzt bin ich schon in der Verarbeitungsphase. Man muss schauen, wo man optimieren und das, was man sich zur Vision gesetzt hat, besser kommunizieren kann. Aber jetzt reise erst einmal auch ich ab und muss mich kurz erholen.

Zusammengefasst: Halten Sie es überhaupt für möglich, dass sich die Spannungen zwischen Österreich und der Türkei auf Sicht auflösen? Ist das nicht eher unwahrscheinlich? Zuletzt gab es vor allem Eskalationen.

Wichtig ist, dass man in den Meldungen nicht das Nationale herausstreicht, sondern dass das ein internationales Team ist und das soll es auch bleiben.

Die Türkei wendet sich ab von Europa, scheint mir, und zum Beispiel nach Osten, nach Russland.

Wenn ein russischer Archäologe eine gute Idee hat, ist er mit seinem Team genauso willkommen wie die Engländer oder die Deutschen. Die Tür ist für alle offen. Das war immer so – und befruchtet die Arbeit.

ZUR PERSON

Sabine Ladstätter (48) wurde in Klagenfurt geboren. Sie studierte in Graz und Wien. Seit 1996 wirkt sie in Ephesos, seit 2010 leitet sie die dortige Grabung, aber auch das Österreichische Archäologische Institut. 2011 war sie Wissenschaftlerin des Jahres. „Knochen, Steine, Scherben. Abenteuer Archäologie“, ihr Buch, wurde 2014 zum besten populärwissenschaftlichen Buch Österreichs gewählt. [ Foto Wilke ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2016)

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