Mit Händen, Füßen und offenem Blick unterrichten

(c) Clemens Fabry
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Nur wenn Worte und Körpersprache der Lehrenden harmonieren, kommt die Botschaft beim Schüler an und stellt sich ein Lernerfolg ein. Das hat ein dreijähriges Forschungsprojekt an der Universität Graz gezeigt.

Die Szene: Die Lehrerin ist mit der Antwort des Schülers nicht einverstanden. Das sieht man an den hochgezogenen Augenbrauen und dem ernsten Gesicht. Doch gleichzeitig legt sie den Kopf schräg und hebt den Finger. So signalisiert sie, dass sie den Schüler ernst nimmt und über seine Antwort nachdenkt. Wenn sie dann noch eine präzise und vorsichtige Antwort gibt, die vielleicht auch noch fragend ist, schafft sie einen Ansporn für den Schüler, selbst zu argumentieren. Laut Bernd Hackl, Leiter des Instituts für Schulpädagogik an der Universität Graz, werden so Lernprozesse ausgelöst.

Mit seinem Team hat er in einem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Forschungsprojekt die Körpersprache der Lehrenden im Unterricht analysiert. Die dreijährige Untersuchung, bei der Video- und Audioaufnahmen in Schulklassen gemacht wurden, brachte höchst differenzierte Ergebnisse.

Allgemein gilt, dass eine bestimmte Atmosphäre, sei es Spannung, sei es Nachdenklichkeit, immer auch körperlich inszeniert wird. Dabei geht es nicht um aufgesetzte oder übertriebene Mimik oder Gestik, die manchmal in Rhetorik- oder Verkaufstrainings empfohlen werden, sondern um die individuellen und authentischen Ausdrucksmöglichkeiten der einzelnen Person. „Körpersprache zeichnet sich dadurch aus, dass wir sie nicht kontrollieren können“, sagt Hackl. „Glaubwürdig ist Körpersprache nur, wenn sie zum Ausdruck bringt, dass die Person selbst von dem überzeugt und begeistert ist, worüber sie spricht.“

Alles kann spannend sein

Im Unterricht kommt es demnach darauf an, authentisch zu vermitteln, dass der behandelte Stoff den Aufwand lohnt. Stimme, Gestik, Mimik und Körperhaltung können dies unterstützen. Nur wenn Lehrer mit ihrer gesamten Persönlichkeit die Relevanz des Themas zum Ausdruck bringen, können sie Schüler davon überzeugen. „Ich glaube, dass man jeden Inhalt spannend inszenieren kann“, meint Hackl. Er bringt das Beispiel einer Biologielehrerin, die im Unterricht eine Blume aus einem Behälter auf dem Lehrertisch nimmt und spürbar angetan daran riecht, während die Schüler gespannt zuschauen. Man müsse herausfinden und zeigen, was das Interessante an dem Thema ist, eventuell indem man es nicht als Pflichtenliste präsentiert, sondern vorführt, wie man damit umgehen kann, um spannende Erkenntnisse zu gewinnen.

Hackl wendet sich gegen die zunehmende Tendenz, Unterricht als Unterhaltung bzw. Entertainment zu gestalten. Häufig werde darauf verzichtet, von der Sache her zu motivieren und Schülern etwas abzuverlangen. Stattdessen werde eine opportunistische Strategie gewählt und mit Spielen oder Spektakulärem versucht, mit Unterhaltungsmedien zu konkurrieren. Doch das sei der falsche Weg. Es gehe vielmehr darum, gemeinsam mit der Klasse „tiefer zu graben“. Damit dies gelinge, sei persönliche Glaubwürdigkeit nötig. „Lehrer können auch körperlich zum Ausdruck bringen, dass etwas wichtig ist und es sich lohnt, sich dafür anzustrengen“, argumentiert der Wissenschaftler.

Schüler spüren Widersprüche

Gleichzeitig spürten Schüler auch Widersprüche zwischen dem Interesse der Lehrenden und den Anforderungen des Unterrichts. „Gesagtes und Körpersprache driften dann auseinander“, so Hackl. Dies kann zu Frustration und gereizter Stimmung auf beiden Seiten führen.

Dagegen solle die Atmosphäre in der Klasse einen „Schonraum“ bilden, in dem die Lehrenden sich als Teil der Gruppe freundlich und zugewandt präsentieren. So könne spürbar werden, dass „man, ohne sanktioniert zu werden, experimentieren und Fehler machen kann, dass man als Mitwirkender gebraucht und anerkannt wird, und wie man mit Inhalten aufschlussreich – ,methodisch‘ – umgehen kann“, erklärt Hackl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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