Politiker bewegen mit Gestik und Stimme

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FRANCE-GERMANY-DIPLOMACY(c) APA/AFP/POOL/PHILIPPE WOJAZER (PHILIPPE WOJAZER)
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Verhaltensforschung. Wie wirkt Körpersprache auf Menschen, die überzeugt werden sollen? Ein Wiener Forscher hat Politiker als Strichmännchen dargestellt und nachgefragt. Die Stimme könnte wichtiger sein als bisher angenommen.

Es ist keine Satire, keine Karikatur. Markus Koppensteiners Strichmännchen zeichnen die Realität nach. Und zwar Punkt für Punkt: Er markiert Stirn, Ohren, Schultern, Ellbogen und auch die Hände eines Politikers und verbindet die Stellen. Das Ergebnis sind animierte Figuren, mit denen sich die Körpersprache von Menschen bei Reden nachstellen lässt. Konkret: die von 60 Politikerinnen und Politikern im Deutschen Bundestag, die in Österreich kaum jemand kennt.

Doch wozu der Aufwand? „So lassen sich einerseits Ablenkungen, etwa durch Kleidung und Frisur, verhindern. Und andererseits der Einfluss, weil man zu einer bekannten Person schon eine vorgefertigte Meinung hat“, sagt Koppensteiner. Der Verhaltenswissenschaftler untersuchte zwei Jahre lang in einem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt, wie Körperbewegungen von Politikern wirken. Das für den zunächst an der Uni Wien tätigen Forscher, der aktuell für zehn Monate am Netherlands Institute for Advanced Study arbeitet, selbst überraschende Ergebnis: Die Gestik von Politikern ist entscheidend für die Einschätzung deren Persönlichkeit. Noch wichtiger als bisher gedacht könnte aber die Art sein, wie jemand spricht.

Armheben wirkt dominant

„Gesten unterstreichen Gesagtes und können dieses auch ersetzen. Entgegen der verbreiteten Literaturmeinung ist die Stimmfärbung, also wiederum der nonverbale Anteil, meist wichtiger als der Inhalt“, sagt Koppensteiner. Um die verschiedenen Einflussfaktoren zu zeigen, betrieb er großen Aufwand. Er bildete aus den insgesamt 300 Versuchspersonen – alles Studenten – fünf Gruppen, denen er unterschiedliche Stimuli vorlegte.

Eine Gruppe beobachtete fünfzehn Sekunden lang die animierten Figuren, eine weitere sah das Originalvideo, eine weitere ein Standbild der Rede. Den beiden anderen Gruppen spielte der Forscher jeweils einmal die echte Tonspur, einmal eine Computerstimme mit dem Inhalt vor.

Zusätzlich bewerteten die Probanden Persönlichkeitsmerkmale der gezeigten Politiker – also etwa, ob jemand extrovertiert, sozial verträglich, offen, gewissenhaft oder emotional stabil wirkt. Dabei zeigte sich, dass die Beobachter vor allem vertikale Bewegungen, also etwa ein deutliches Heben und Senken des Arms, als dominant einstufen. Dadurch wirkten die Politiker zugleich weniger freundlich und vertrauenswürdig.

Die Forschungsergebnisse lassen sich nicht nur für Kommunikationstrainings nutzen. Sie könnten auch Hinweise darauf geben, wie man Avatare, also künstliche Menschen im Internet, realistischer programmieren kann. Die Resultate auf Einzelpersonen umzulegen sei aber schwierig, meint Koppensteiner. Denn wirkliche Charismatiker ließen sich nicht mit statistischen Methoden analysieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)

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