Mitten im Burgenland: Roms Reiterei

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Sensationeller Fund am Rand der Bernsteinstraße: Nördlichstes Kastell der Provinz Pannonien.

„Erst vorgestern haben wir wunderschöne Ausrüstungsgegenstände gefunden, Paradeuniformen von Reitern, Paradegeschirre von Pferden“, berichtet Stefan Groh vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖIA) der „Presse“: „Sie sind zum Teil einzigartig im mittleren Europa, man findet Vergleichbares nur in Italien selbst.“ Nun wurden sie in Strebersdorf/Lutzmannsburg im mittleren Burgenland aus der Erde geholt, am Donnerstag präsentierte man sie dort in Anwesenheit von Wissenschaftsminister Johannes Hahn der Öffentlichkeit.

Im Burgenland kannte man bisher überhaupt keine größeren römischen Siedlungen, nur ein paar Villen; man wusste allerdings, dass irgendwo Reiterei stationiert gewesen sein muss. In Ungarn gibt es Grabsteine, auf denen Roms Kavalleristen ihren Pferden noch im Tod die Sporen geben. Aber im Vorjahr fanden die ÖIA-Archäologen nach geophysikalischen Erkundungen – dabei wird die Erde mit Radar und Magnetometer abgetastet – eine 20 Hektar große Siedlung, und in der heurigen Saison kamen 2,2 Hektar Militärlager dazu.

„Damit haben wir die größte archäologische Landschaft des Burgenlands, vergleichbar mit Flavia Solva in der Steiermark und dem Magdalensberg in Kärnten“, berichtet Groh. Aber die Bedeutung geht weit über die Region hinaus: Rom war damals, kurz nach Christi Geburt, an mehreren Fronten von Germanen bedrängt: Im Westen, am Rhein, reagierte das Imperium mit Plänen zur Osterweiterung bis zur Oder, sie wurden im Jahr 9 durch die Varusschlacht beendet. Etwa zur gleichen Zeit wurden in der östlichen Mitte Europas neue Fronten eröffnet, im Süden erhoben sich die Pannonier, von Böhmen her drohte König Marbot mit seinen Markomannen. All das führte in Rom zu hoher Germanophobie – Augustus ließ alle Germanen seiner Prätorianergarde ausweisen –, aber die Angst hatte einen Grund: die Bernsteinstraße. Sie war der älteste zentraleuropäische Handelsweg zwischen Ostsee und Adria. Und sie lockte nicht nur Händler: Sie war für Germanen der kürzeste Weg nach Rom. Also wollte ihnen der römische General Tiberius zuvorkommen und die Straße selbst militärisch nutzen: „Wir können nachweisen, dass es eine Aufmarschroute war, das ist schon sensationell“, erklärt Groh.

Aber der Aufmarsch musste verschoben werden: Ursprünglich wollte Tiberius nach Norden gegen Marbot ziehen, dann brach – zwischen Drau und Save – der pannonische Aufstand los, 15 Legionen, etwa 100.000 Mann, waren drei Jahre gebunden. Erst dann konnte Tiberius mit der Ala Pannoniurum, der Pannonischen Reiterei, nordwärts Richtung Donau. Im Burgenland ließ er absatteln und ein Militärlager errichten, insgesamt waren es am Ende drei, eines über dem anderen, man weiß noch nicht, wie jung das Jüngste ist, Groh schätzt, dass die Lager 300 Jahre lang benutzt wurden.

Aber man weiß, wie alt das Älteste ist, ein für Laien unscheinbarer Fund – ein Keramikbecher – erlaubte eine Datierung: Das Lager wurde in den Jahren 10 bis 30 gebaut, lange vor Carnuntum, das war damals noch Auwald, der erst anno 50 zur Bebauung gerodet wurde. „Damit können wir Geschichte neu schreiben: Bisher wusste man über die Provinzeinrichtung von Pannonien nur, das sie irgendwann in tiberischer Zeit war. Nun haben wir das sicher datierte nördlichste Kastell dieser neuen Provinz.“

Militär sicherte Schwerindustrie

Warum gerade im mittleren Burgenland? Weil es dort nicht nur die Bernsteinstraße gab, sondern auch Schwerindustrie: „Rund um die Lager herum sind Eisenbrennöfen, es war eine Bergbauregion mit ,Raseneisenerz‘, Eisenerzknollen direkt unter dem Rasen – das war sie schon in keltischer Zeit. Die Römer wussten offenbar davon und haben ihr Lager mitten hineingebaut“, erklärt Groh: „Wir können mit unserem Fund sehr schön zeigen, wie die für den Krieg und die Expansion nötige Ressource Eisen militärisch abgesichert wurde.“ Und der Forscher kann aus dem Fund ableiten, wie die Region gelitten und die Reiterei gehustet haben muss: Eisenverhüttung braucht viel Energie, damals nahm man sie aus Holz. Das heute so liebliche mittlere Burgenland muss großflächig gerodet worden und in dauernden Qualm gehüllt gewesen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2009)

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