Wozu ein Kind mit drei Eltern?

Arzt Zhang und Abrahim: Er ist gesund und schläft vergnügt (das Gesicht ist nur verpixelt).
Arzt Zhang und Abrahim: Er ist gesund und schläft vergnügt (das Gesicht ist nur verpixelt).New Hope Fertility Centre
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Erstmals wurde ein Mensch geboren, der zum Abwenden einer Erbkrankheit neben der DNA von Vater und Mutter auch die einer Spenderin erhielt.

„Das Baby ist derzeit drei Monate alt und ihm geht es gut.“ So steht es in der im Juli gedruckten Kurzfassung eines Vortrags, der am 19. Oktober bei der Jahrestagung der American Society for Reproductive Medicine gehalten wird, er trägt die Nummer O-267, dauert von 12.15 bis nicht ganz 12.30, geht fast unter in der Fülle, zuvor wird eine Viertelstunde über Transplantation von Eierstockgewebe berichtet, danach darüber, ob Retortenbabys besser gelingen, wenn sie beim Erzeugen gekühlt werden (nein). Das ist Vortrag O-269, es nimmt kein Ende, und doch ist der „New Scientist“ auf O-267 gestoßen (oder gestoßen worden) und berichtete „exclusive: World's first baby born with new ,3 parent‘ technique.“

Dies ist der jüngste Schritt in dem Feld der Medizin, das dahinrast wie kein anderes, der Reproduktionsmedizin, vor allem in Großbritannien: 1978 wurde dort Louise Brown geboren, das erste Retortenbaby, es war höchst riskant, man hatte keinerlei Vorversuche an Affen unternommen. Es gelang, allerdings wurde Louise von manchen mit der Frage begrüßt, ob so ein Geschöpf – zusammengemischt aus Eizelle und Sperma außerhalb des Körpers – eine Seele besitze. Das hat sich beruhigt, das Verfahren ist etabliert, weltweit gibt es Millionen Menschen aus der „in vitro fertilisation“ (IVF). 1996 überraschte die Insel wieder: In einem Hightech-Stall im hintersten Schottland war das Schaf Dolly zur Welt gekommen, das erste geklonte Säugetier.

Gefahr in den Zellkraftwerken

2002 kam dann das erste Designer-Baby: Es wurde IVF-gezeugt, um einem schwer kranken Geschwister mit einer genetisch passenden Blutspende zu helfen. Wieder gingen die Debatten hoch, das war auch so, als in den 1990er-Jahren IVF-Embryos mit Spenderinnen-DNA gestärkt werden sollten (s. Artikel rechts). Und es war so, als 2005 Ärzte in Newcastle klären wollten, ob man manche Erbleiden abwenden kann, mitochondriale Krankheiten: Der größte Teil unserer 20.000 Gene sitzt im Zellkern, aber es gibt noch einen kleinen Pool – 37 Gene – in den Mitochondrien, den Zellkraftwerken. Auch ihre Defekte können Böses anrichten, in Newcastle wollte man testen, ob Spenderinnen-DNA hilft, diesmal nicht zusätzlich zum Stärken, sondern ganz anders: Man wollte genetisch kranke Mitochondrien in Eizellen einer Frau durch gesunde einer anderen Frau ersetzen.

Damit war die Idee von Kindern mit drei Elternteilen in der Welt – sie haben das Kerngenom von Mutter und Vater und das mitochondriale von der Spenderin –, der zuständigen Human Fertilisation and Embryology Authority verschlug es den Atem, sie lehnte ab, zunächst: Seit 2015 ist das Verfahren in Großbritannien erlaubt, nur dort. In den USA etwa ist es verboten, und in vielen Ländern, Mexiko darunter, gibt es keine Regelung.

Auf dieser Bühne spielt, was John Zhan in O-267 vortragen wird: Er ist Arzt einer Reproduktionsklinik in New York – New Hope Fertility Center –, 2011 konsultierte ihn ein Ehepaar aus Jordanien, sie hatten ein Kind durch eine mitochondriale Krankheit verloren, Leish Disease, eine Lähmung, am Ende können die Opfer nicht mehr atmen.

Zhan schlug vor, ein IVF-Embryo herzustellen und ihm den Zellkern zu entnehmen. Der sollte in ein entkerntes Embryo einer Spenderin transferiert werden. Das hat Zhan 2012 in China versucht, das Kind kam mit gesunden Mitochondrien zur Welt, aber zu früh, es starb rasch. Das Paar lehnte ab, aus religiösen Gründen: In dem Verfahren hätte ein Embryo geopfert werden müssen. Deshalb zeugte das Paar das nächste Kind auf natürlichem Weg und hoffte auf Glück: Bei mitochondrialen Krankheiten hängt viel davon ab, wo im Embryo die kranken Gene sitzen. Das Paar hatte Pech, auch dieses Kind hatte Leish, es starb mit acht Monaten. Also flogen sie wieder nach New York, Zhang schlug nun vor, die Mitochondrien nicht in Embryos, sondern in Eizellen auszutauschen, und zwar in einer Niederlassung seiner Klinik in Mexiko. Dort fand dann alles statt: Zhang manipulierte fünf Eizellen, bei einer gelang es, sie wurde befruchtet, am 6. April kam das Kind zur Welt, ein Junge, Abrahim Hassan.

Nun wurde er bekannt, und nicht mit solchen Emotionen begrüßt wie einst Baby Louise. Man muss zum Verdeutlichen der Positionen darauf zurückgreifen, wie damals der Antrag aus Newcastle kommentiert wurde: „Es ist nicht wünschenswert, Kinder auf diese Art zu erzeugen“, kritisierte die Organisation Comment on Reproductive Ethics: „Es wird die Welt schockieren.“ „Wir tauschen nur die Energiequelle aus“, entgegneten die Ärzte.

Florierender Medizintourismus

Die aktuelle Kritik kreist vor allem darum, dass nicht nur in der Reproduktionsmedizin ein florierender Tourismus in Länder in Gang gekommen ist, in denen es keine Regelungen gibt. Man möge das Verfahren lieber endlich in den USA zulassen, fordert etwa Norbert Gleicher, Reproduktionsmediziner in New York (Sciencenow 27. 9.). Er sucht seit Jahren ein Gespräch mit der zuständigen US-Behörde FDA: „Wir haben nicht einmal einen Termin bekommen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2016)

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