Ein Motor, so groß wie eine Münze

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Neue Antriebssysteme sollen immer kleiner und ökologischer, aber dennoch leistungsstark und günstig sein. Grazer Forscher arbeiten an neuen Berechnungsmodellen, die bei ihrer Weiterentwicklung helfen sollen.

Billige Wegwerfware aus Asien ist schuld, dass sich bisher kaum jemand den Wirkungsgrad und damit den Energiebedarf kleiner Motoren angesehen hat. Das ist jedenfalls der Befund von Annette Mütze. Die Elektrotechnikerin wurde im April 2010 als erste Frau an der TU Graz auf einen Elektrotechnik-Lehrstuhl berufen und leitet seither das Institut für Elektrische Antriebstechnik und Maschinen. Nun will sie in einem am Montag neu eröffneten „Christian-Doppler(CD)-Labor für bürstenlose Antriebe für Pumpen- und Lüfteranwendungen“ wieder Pionierarbeit leisten.

„Bürstenlos bedeutet, dass in den Maschinen keine Kohlefaserbürsten mehr eingebaut sind“, erklärt sie Grundlegendes. Die Bürsten wirkten früher als Stromwender, der die Polung in elektrischen Maschinen umdreht. Das passiert heute elektronisch. So fällt einerseits der Schmutz weg, der durch die Reibung der Kohlefasern mit dem Metall entsteht. Andererseits lässt sich gewonnener Platz etwa nutzen, um den Antrieb in der Mitte eines Lüfterrads zu integrieren.

Autoscheinwerfer kühlen

Lüfter, die Autoscheinwerfer kühlen, sind ein Fokus der wissenschaftlichen Arbeit im neuen Labor. Diese produziert der Unternehmenspartner Mechatronic Systems, der sich von der Kooperation eine Weiterentwicklung seiner Produkte erhofft. Die steirische Firma profitierte schon von den Erkenntnissen einer Dissertation an Mützes Institut: Die dadurch verbesserten Produkte werden bereits in Serie gefertigt.

Die Nachfrage nach neuem Wissen rund um die kleinen Antriebssysteme ist also groß. Mancher mag dabei im Auto zwar noch immer zuerst an die zentrale Antriebsmaschine denken, tatsächlich gibt es aber zahlreiche sogenannte Hilfsantriebe: Jede Klimaanlage braucht einen kleinen Motor, um die Luft in den Innenraum zu blasen. Die Fenster kurbelt kaum jemand mehr händisch hinauf und hinunter; sie öffnen und schließen sich mit Maschinenkraft. Und auch der Motor selbst wird mit Flüssigkeit gekühlt, die in den Kühlkreis gepumpt wird. Im Haushalt wiederum finden sich bürstenfreie Antriebe etwa in Waschmaschinen oder Kühlschränken.

Bei den verschiedenen Anwendungen ließe sich viel sparen, ist Mütze sicher: „Wir wollen die Teile kleiner, effizienter, kostengünstiger und ökologischer machen“, sagt sie. Das Werkzeug dazu sind einfache, aber schnelle Rechenmodelle, an denen die Grazer Forscher nun arbeiten. Sie sollen die Entwicklungsarbeit von Produkten erheblich abkürzen. „Es gibt zu viele Möglichkeiten, und wir brauchen schnelle Antworten“, so Mütze.

Die Wissenschaftler betrachten dazu den Motor, die dazugehörende Elektronik und die angetriebene Last als ein Ganzes. Was logisch klingt, war lang anders: „Das sind zwei unterschiedliche Themen, daher wurden sie auch lang getrennt betrachtet“, erklärt Mütze. Die Komponenten wurden extra produziert und dann aneinandergefügt – das sei wie bei einem Puzzle, bei dem die Teile jedoch nicht perfekt zusammenpassen. Um die Maschinen zu optimieren, wolle man aber „nicht nur die Elektronik mit der Maschine verheiraten, sondern immer auch die Anwendung mitdenken“.

Schwierig zu messen

Ob die Modelle der Realität standhalten, testen die Forscher an einem Prüfstand, der dazu eigens ausgebaut wird. Er braucht allerdings nur wenig Platz, denn die dort getesteten zylinderförmigen Maschinen haben gerade einmal den Durchmesser einer Münze. Alles sei klein und fein, darin läge auch die Schwierigkeit beim Messen, so Mütze.

Ein CD-Labor läuft bei erfolgreicher Evaluierung bis zu sieben Jahre lang. Dann sollen der Firma neben neuen Modellen und Modellierungstechniken auch neue Prototypen zur Verfügung stehen. „Wir wollen zeigen, dass wir es wirklich besser können“, so Mütze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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