Die stetige Verlängerung des Lebens in den letzten 150 Jahren ist vorbei, lesen Forscher aus den Statistiken.
Wie alt können Menschen werden, wie alt wollen sie es? Manche hoffen auf ewiges Leben, natürlich keines des Körpers, dessen Spanne ist beschränkt. Allerdings wurde sie seit 150 Jahren kontinuierlich ausgedehnt, in den USA etwa so: Wer 1900 geboren wurde, hatte 47 Jahre zu erwarten, beim Jahrgang 2000 sind es 79. Das gilt für den Durchschnitt, es lag daran, dass die Lebensumstände besser wurden und die Medizin die Sterblichkeit der Jungen stark drücken konnte, schon bei der Geburt, dann mit Antibiotika und Impfungen.
In den 1970er-Jahren kam ein zweiter Trend, nun wurden auch unter den ganz Alten immer mehr Methusalems, den Rekord hält die Französin Jeanne Calment, sie hat noch van Gogh gekannt und starb 1997 mit 122. So weit brachte es seitdem niemand mehr, und unter Forschern herrscht Streit darüber, ob es je noch einmal jemand tun wird – oder ob es keine Grenze nach oben gibt, darauf deuten Versuche an Tieren, deren Leben durch Interventionen, schmale Kost etwa, stark verlängert werden konnte.
„Da sprach der Herr: 120 Jahre“
Ob es den Effekt auch bei Menschen gibt, ist unklar, aber bei ihm gibt es für viele Länder Statistiken, Jan Vijg (New York) hat sie ausgewertet und sieht mit Calment den Zenit erreicht: Seit Mitte der 90er-Jahre steigt die Zahl der extrem Alten – derer über 110 – nicht mehr, sondern geht leicht zurück (Nature 5. 10.). Nature schließt sich in einem Editorial an und vergleicht Calment mit einem anderen, der die Grenzen des Körpers wohl ausgereizt hat, dem Sprinter Usain Bolt. Allerdings gibt es auch Kritik: Vijg habe mögliche Fortschritte der Medizin nicht berücksichtigt. Wird sie das Leben über 120 verlängern, soll sie es? Prophetisch wie immer hat Aldous Huxley 1937 gewarnt: In „After Many a Summer“ gibt es ein Wundermittel – Innereien von Karpfen –, das Menschen so alt werden lässt, Jahrhunderte, dass sie regredieren, zu Affen. Aber wenn man der Schrift vertraut, kann das nicht geschehen, der Schöpfer hat vorgebaut, mit just der Zahl, die Vijg als Grenze angibt: „Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht immer im Menschen walten, denn der Mensch ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben 120 Jahre.“ (Genesis 6, 3).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2016)