Energieeffizienz erhöht

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ENTWICKLUNG MACHT STAHL SO HART WIE DIAMANT(c) APA (RUEBIG)
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Mikrosysteme. Ohne sogenannte Leistungshalbleiter ist kaum ein moderner elektronischer Schaltvorgang denkbar. Kärntner Forscher entwickelten nun Bauteile, die Energie sparen.

Im Auto der Zukunft droht dem Fahrer akute Langeweile bis hin zum völligen Bedeutungsverlust. Computer werden die Kontrolle großteils an sich gerissen haben. Deren technologische Grundlage sind die sogenannten Halbleiter, also Materialien wie Silizium, die Strom leiten oder nicht leiten – je nachdem, wie sie bearbeitet sind und mit welchen Bedingungen man sie konfrontiert.

Als moderner Mikrochipprozessor etwa sind die Halbleiter – in Kombination mit anderen Materialien – zu teils mehreren Milliarden Einzelstrukturen geformt, die unter anderem als Transistoren, elektronische Schalter, fungieren. Auf fingernagelgroßer Fläche verarbeiten sie kleine Spannungen und winzige Stromstärken. Und bilden so die Logik- bzw. Recheneinheit jedes Computers.

Daneben gibt es die sogenannten Leistungshalbleiter. Diese haben es weniger mit dem Rechnen, sind aber in der Elektro- und Regeltechnik nicht minder bedeutend. „Leistungshalbleiter schalten Ströme“, erklärt Martin Kraft, Forschungsleiter an der Carinthian Tech Research (CTR), dem Sensorik- und Mikrosystem-Forschungszentrum in Villach. Außerdem können Leistungshalbleiter helfen, Gleich- in Wechselstrom zu wandeln und umgekehrt. Sie sind somit essenzieller Bestandteil von Akku-Ladegeräten oder Wechselrichtern, die etwa Fotovoltaikstrom netzkompatibel machen.

Ein Leistungshalbleiter besteht nicht aus Milliarden, sondern im Prinzip aus nur einem Transistor, der Daumennagelgröße erreichen kann. „Das ist ein einzelner Schalter, aber er schaltet dann auch 1200 Ampere. Wenn sie bedenken, dass die normale Steckdose mit 16 Ampere abgesichert ist, ist das wirklich viel“, so Kraft. Der 44-jährige Chemiker kann die Begeisterung über sein Forschungsfeld nur schwer kaschieren, während er von der Taurus-Lok oder von Elektroautos erzählt. Überall dort gilt es die immense elektrische Kraft der Motoren in geregelten Bahnen zu schalten.

Neben der Regelung elektrischer Antriebe schalten Halbleiterchips auch die LED-Lampen im intelligenten Beleuchtungssystem moderner Autos. Für diesen Bereich neue Energiesparchips zu entwickeln, war ein Ziel des europäischen Forschungsprojekts Enhanced Power Pilot Line (EPPL), geleitet von Infineon Technologies Austria. Unter diesem Dach forschten 240 Wissenschaftler von 31 Technologiepartnern aus sechs Ländern dreieinhalb Jahre lang; ausgestattet mit 74 Millionen Euro. Herausgekommen sind 124 wissenschaftliche Arbeiten und: neue Leistungshalbleiter, die bei Betrieb um bis zu 15 Prozent geringere Energieverluste bringen und 15 bis 50 Prozent kleiner sind als bislang.

Handhabung ohne Berühren

Jeder Schaltvorgang bringt unvermeidlich Energieverluste. Aber minimalste Einsparungen summieren sich auf. „Wenn ich sage, wir hatten bisher eine Energieeffizienz von 98,9 Prozent und jetzt von 99,2 Prozent, dann klingt das nicht nach viel. Nur: Wenn Sie Auto fahren, wird permanent geschaltet“, so Kraft. Jeder Energieverlust macht sich in Form von Wärme bemerkbar, die dann unter erneuter Energieaufwendung aus dem System abgeführt werden muss. Energiesparen lohnt also doppelt.

Eine Computersimulation war einer der Arbeitsschwerpunkte des CTR. Mit ihr wurde eine potenziell falsche Handhabung der hauchdünnen 300-Millimeter-Siliziumscheiben, des Ausgangsmaterials, nachgeahmt. „Es klingt nicht schwierig, ein Objekt mit 30 Zentimeter Durchmesser zu handeln, nur: Sie dürfen es eigentlich nicht berühren“, weiß Kraft. Zudem gibt es extreme Reinheitsanforderungen: Je mehr Staub die Produktion stört, desto größer der Ausschuss bei den fertigen Chips. Dank der Simulation ließen sich die Folgen mechanischer Belastungen oder von Verunreinigungen erkennen, ohne immer wieder neue Prototypen für reale Tests zu bauen.

Eine große oder kleine Pizza?

Im Gegensatz zu Speicher- oder Prozessorchips, die aus Werken in Asien kommen, ist Europa bei Leistungshalbleitern Weltspitze. Die im Forschungsprojekt entwickelten Produkte sollen bei Infineon in Villach und Dresden gebaut werden.

Dank der 300-Millimeter-Scheiben könne man jetzt auch mehr Chips pro Scheibe produzieren. „Ob sie eine kleine oder eine große Pizza backen, die Arbeit ist mehr oder weniger dieselbe.“

Lexikon

Mikrochips. Am Anfang steht der Wafer, eine rund ein Millimeter starke Scheibe aus Silizium. Während der teils Wochen dauernden Fertigung durchlaufen die Scheiben eine nicht enden wollende Kaskade aus mehreren Tausend Prozessschritten: Metall- und Kunststoffschichten werden aufbracht, Teile wieder weggeätzt. Es wird gespült, ausgehärtet, belichtet, gedampft, geätzt und wieder gespült. Am Ende sind auf der Scheibe Strukturen in Mikrometer-Größe „gewachsen“, aufgeteilt in bis zu tausend einzelne Chips.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2016)

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