Digitale Spuren verraten die Urlaubswünsche

Mountainbiker in der Bergwelt der Schmittenh�he bei Zell am See,
Mountainbiker in der Bergwelt der Schmittenh�he bei Zell am See,(c) BilderBox (BilderBox-Wodicka)
  • Drucken

Wohin geht die Reise? Gebirgsforscher errechneten aus Internetdaten Urlaubsprognosen. Von Wien aus vernetzen sie alpine Messstellen.

Die Gebirgsregionen Europas werden von rund 64 Millionen Menschen bewohnt. Nicht nur der Klima-, sondern auch der globale Wandel insgesamt betrifft diese Gebiete besonders. Wissenschaftler am interdisziplinären Gebirgsforschungsinstitut (IGF) mit Sitzen in Innsbruck und Wien durchleuchten diesen Wandel seit zehn Jahren, in dieser Zeit haben sie sich auch einigen ungewöhnlichen Forschungsthemen gewidmet.

So hat sich das IGF in den Bereich der Verarbeitung von großen Datenmengen vorgewagt. In Zusammenarbeit mit Google, das die Quelldaten zur Verfügung stellte, konnten frühzeitige Prognosen darüber erstellt werden, welche Gebirgsregionen im Tourismus „im Kommen“ sind. Anhand aller Klicks auf Seiten mit alpinem Kontext wurde das Interesse der Nutzer abgebildet. Daraus ließen sich dann auch die Urlaubstrends ablesen.

IGF-Leiter Axel Borsdorf: „Wir wollten sehen, wie weit wir kommen können mit unseren Näherungswerten. Und wir sind weit gekommen. Noch lange, bevor überhaupt jemand ans Buchen gedacht hat, haben wir gewusst, wohin die Reise geht.“ Ein Großteil der Daten, die das IGF sammelt, werden offen zur Verfügung gestellt, um möglichst vielen Menschen eine Nutzung zu ermöglichen.

Die Abteilung für Ökologie und Klimafolgenmonitoring sitzt in Wien. Sie beschäftigt sich mit dem Effekt des Klimawandels auf Gebirgsökosysteme und Artenvielfalt. Dazu koordiniert die Abteilung ein Netzwerk von 400 alpinen Messstellen weltweit. Alle Veränderungen werden in einer Datenbank festgehalten. Je länger die Messdauer, desto aussagekräftiger werden die Daten.

IGF-Direktor Borsdorf: „Das Besondere ist, dass damit erstmalig der Klimawandel und seine Effekte nicht über isolierte Klimadaten, sondern seine komplexe Wirkung durch Bioindikatoren festgestellt wird.“ In Zukunft will man die Forschungsfragen in diesem Bereich auf einzelne Täler herunterbrechen. Während die übrigen Mitarbeiter von der Akademie der Wissenschaften oder durch Drittmittel finanziert werden, bezahlt die Universität für Bodenkultur einen Teil dieser Abteilung.

Prognosen zu Gebirgsregionen

Die Abteilung Mensch-Umwelt-Beziehung des IGF hat eine völlig neue Wanderbewegung in den Gebirgsregionen festgestellt. Gehen viele Bevölkerungsprognosen noch davon aus, dass entlegene Täler in Zukunft entvölkert und wieder zur Wildnis werden, so sehen die Forscher des IGF einen gegenläufigen Trend, eine sogenannte Lifestyle-Wanderung.

Borsdorf: „Wir konnten das erstmals nachweisen. Es gibt eine ungeheure Entwicklungschance für periphere Gebiete, weil Leute bewusst Gegenden suchen, in denen die Zeit stehen geblieben ist. Darunter sind auch junge Leute, die alternativ leben wollen, Menschen, die nach einem Arbeitsleben in der Stadt in ihre alten Dörfer zurückkehren, und Telearbeiter.“ In den Westalpen mache sich dies bereits bemerkbar, in Österreich habe man hingegen noch Angst vor dem gegenteiligen Effekt.

Einer weiteren Frage, der die Forscher des IGF auf der Spur sind, ist jene, was eigentlich schlimmer ist: Klimaerwärmung oder generell die Globalisierung und deren Auswirkungen auf den alpinen Siedlungs- und Wirtschaftsraum?

Im Zuge dieser Untersuchungen läuft gerade ein interdisziplinäres Projekt mit Historikern: Hier wird der Franziszeische Kataster analysiert. Dabei handelt es sich um den ersten vollständigen Grundkataster des Kaiserreichs Österreich, benannt nach Kaiser Franz I. Borsdorf: „Es ist der letzte Kataster vor dem Einsetzen der industriellen Düngung.“ Daher lasse sich daran eine Änderung der Landnutzung besonders gut nachweisen.

Für die Zukunft hat Borsdorf die Vision eines Hauses der Gebirgsforschung in Innsbruck. Auch wenn er dieses – falls es je realisiert werden sollte – als aktiver Wissenschaftler nicht mehr „erleben“ wird. Borsdorf geht mit Jahresende in Pension, seine Nachfolge ist noch nicht geklärt. Was für ihn auch etwas Grund zur Sorge ist: „Ich habe Angst, dass es das Institut in dieser unabhängigen Form nicht weiter geben könnte.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Riesenrad in Wien.
Wien

Wien will Touristen jetzt und "für immer" nach Wien holen

Der Werbeslogan "Jetzt oder nie" gehört der Vergangenheit an. Nun wirbt Wien mit "Jetzt. Für immer". Die Marke Wien soll "premiumisiert" werden.
Österreich

Wer mit dem Flieger kommt, ist spendabel

Der Wachstum des Flugverkehrs kurbelt die österreichische Wirtschaft an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.