Auch Affen schlagen Steine zurecht

(C) M. Haslam
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Kapuzineraffen in Brasilien produzieren etwas, was von den ersten Steinwerkzeugen der frühen Menschen nicht zu unterscheiden ist. Aber sie benutzen es nicht als Werkzeug.

Was macht den Menschen aus, und wie wurde er groß? Lange galt er als Homo faber, als der, der Werkzeuge verwendet, Philosophen bauten das aus, etwa Max Scheler und Arnold Gehlen. Aber in den 60er-Jahren bemerkte Jane Goodall, dass auch Schimpansen Werkzeuge verwenden, bald wurde die Liste lang und länger, zuletzt kamen gerade gar Hummeln hinzu: Sie können Futter, das unerreichbar unter einer Glasplatte steckt, herausziehen, wenn daran ein Faden hängt, der aus der Platte herausragt (PLoS Biology 4. 10.).

Der Gebrauch von Werkzeugen ist also nichts Besonderes, vielleicht die Herstellung? Auch da kam Konkurrenz: Manche Krähen können Drähte so biegen, dass sie damit sonst unzugängliches Futter „angeln“ können. Sie blieben allerdings die einzigen im Tierreich, so setzte auch die Anthropologie auf den Homo faber: Groß geworden seien die Menschen bzw. ihre Ahnen, als sie die Kunst erlernten, Steine zu scharfkantigen Werkzeugen zurechtzuschlagen, vor etwa 2,5 Millionen Jahren war es so weit. Um zu dieser Leistung fähig zu sein, braucht es vor allem zweierlei: Ein planendes Gehirn und fein steuerbare Hände, beides hat auch unter den näheren Verwandten sonst niemand.

Aber manche Affen schlagen doch Steine so zurecht, dass sie von den Werkzeugen der frühen Menschen nicht unterscheidbar sind, Thomas Proffitt (Oxford) hat es beobachtet, im brasilianischen Nationalpark Serra da Capivara. Dort leben auch Kapuzineraffen, und die hatte Proffitt früher schon Steine als Werkzeuge verwenden sehen, etwa zum Nussknacken. Aber dazu nehmen sie irgendwelche Steine, die herumliegen.

Wenn sie hingegen Steine aufeinanderschlagen, dann tun sie es gezielt: Sie nehmen einen in die Hand und schlagen Stücke aus Felsen heraus: Sie zerstören also mit einem Werkzeug planmäßig etwas, um an etwas heranzukommen. Dass dabei auch die Steine, mit denen sie zuschlagen, zerbrechen – und die Formen bzw. Kanten alter Steinwerkzeuge annehmen –, interessiert sie nicht, sie werfen sie weg, nutzen sie nicht (Nature 19. 10.).

Wozu dann das Ganze? Proffitt vermutet, dass diese Affen Mineralien oder Flechten aus den Felsen schlagen, sie lecken nach jedem Schlag daran. Ob das stimmt, weiß man nicht. Aber es mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation von uraltem Steinwerkzeug: Vielleicht stammt manches, was man Menschen zuschrieb, auch von Affen. Und vielleicht ging es diesen Menschen zunächst auch um etwas ganz anderes als die Produktion von Werkzeugen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

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