Geschlechtskrankheit HPV, ein Erbe der Neandertaler?

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NEANDERTALER�(c) APA (W.Reichmann/NHM)
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Die geografische Verteilung der Varianten des krebsauslösenden Virus legt nahe, dass es durch Sex mit den Brüdern auf uns kam.

Dass unsere Ahnen Sex mit anderen Frühmenschen hatten, denen aus dem Neandertal und denen aus Denisova, ist keine Überraschung mehr: Zwei bis vier Prozent unserer Gene haben wir von Neandertalern, und Denisova-Gene sind in Ostasien verbreitet, eines ist berühmt geworden, es erleichtert das Leben in dünner Luft: Die Ahnen der Tibeter haben es von Denisova-Menschen übernommen, die hatten es im Altai-Gebirge entwickelt, es weitete die Brust bzw. die Lunge.

Von den Neandertalern haben wir eher Bedrückendes, einen Hang zu Depression, Blasen- und Hautleiden, erhöhtes Risiko für Herz- und Hirnschlag. Besonders breit ist die Palette bei Genen des Immunsystems, dort sind zwei Gruppen den molekularen Unterschieden von weißen und schwarzen Amerikanern nachgegangen: Luis Barreiro (Montreal) hat sich auf Makrophagen konzentriert – Freßzellen, die sich über Eindringlinge hermachen –, Lluis Quintana-Murci (Paris) auf Monozyten, Vorläufer vieler Immunzellen. Der Befund war in beiden Fällen gleich: Das Immunsystem der weißen Amerikaner ist schwächer, offenbar wurden nach dem Auswandern ihrer Ahnen nach Europa viele Gene abgelegt, die vor Viren und Bakterien schützen (Cell 20. 10.).

Warum ist unklar, es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder waren die Bedrohungen durch Infektionen in Europa nicht so groß. Oder dort wurden Risken minimiert, die von Immungenen kommen, die von Autoimmunkrankheiten. Sicher hingegen ist, dass viele der Genvarianten der Weißen in Europa nicht selbst entwickelt, sondern übernommen wurden, von Neandertalern. Man kann es dem Alter der Varianten ablesen: Es gab sie schon, als Homo sapiens noch nicht aus Afrika ausgewandert war – vor etwa 70.000 Jahren –, die Auswanderer müssen sie durch Sex mit Neandertalern bekommen haben.

Nicht nur sie: Mit hoher Wahrscheinlichkeit kam von den Neandertalern auch eine Geschlechtskrankheit, die der Humanen Papillomviren (HPV). Die sind weit verbreitet, oft bleiben sie harmlos, sie können aber auch zu Gebärmutterhalskrebs führen, vor allem bei einem der vielen Typen, HPV16. Von dem gibt es zwei Hauptvarianten, B/C/D und A. Den gibt es im Afrika südlich der Sahara nicht – dort gibt es auch den Krebs kaum. Das Rätsel könnte sich durch einen Stammbaum von HPV16 lösen, den Ignacio Bravo (Barcelona) erarbeitet hat: Die Variante A ist 600.000 Jahre alt.

Nur Hypothese, aber testbar

Die Menschen, die von Afrika aus die Welt erwanderten – eben vor 70.000 Jahren –, können sie also weder mitgebracht noch entwickelt haben. Sie können sie nur von den Menschen haben, die die Erde früher erwanderten, den Neandertalern (Molecular Biology and Evolution 17. 10). Das ist natürlich nur Hypothese, testen kann man sie derzeit nicht: Die vorliegenden Genanalysen von Neandertalern stammen aus ihren Knochen, die werden nicht von HPV befallen. Man müsste in Resten ihrer Haut suchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)

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