Lungenerkrankungen bei Kindern unterschätzt

Symbolbild krankes Kind
Symbolbild krankes Kind(c) Bilderbox
  • Drucken

Die weltweit größte Studie zur chronischen Lungenerkrankung COPD im Wiener Otto-Wagner-Spital bringt nun erste Ergebnisse. Besonders die Lungen von Kindern sind stärker beeinträchtigt als bisher angenommen.

Die ersten Ergebnisse einer insgesamt zwölf Jahre laufenden Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts für COPD und pneumologische Epidemiologie sind teilweise alarmierend. Die Langzeituntersuchung unter der Leitung von Sylvia Hartl und Otto Burghuber vom Otto-Wagner-Spital ist die bisher umfassendste Studie zum Thema chronische Lungenerkrankungen, ihrer Entstehung, ihren Risikofaktoren und Begleiterkrankungen.

Die Ärzte haben 11.000 Probanden von sechs bis achtzig Jahren aus Wien und Niederösterreich untersucht. Alle vier Jahre werden etwa 7000 verschiedene Parameter erhoben, die Einblicke in den Gesundheitszustand der Teilnehmer geben.

„COPD und Asthma sind noch immer schwer mit Medikamenten zu beherrschen“, so Burghuber. „Es sind unheilbare Erkrankungen, bei denen Lungenfunktion verloren geht, die nicht wieder zurückgebracht werden kann.“

Bei COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease, Anm.) führen chronische Entzündung und Verengung der kleinen Bronchien irgendwann zu Sauerstoffmangel und schwerer Atemnot. Schadstoffe aus der Umwelt spielen dabei eine wichtige Rolle. „Die Lunge ist ein Umweltorgan, sie wird stark von äußeren Faktoren beeinflusst“, erklärt Burghuber. „Besonders junge Lungen, die sich noch entwickeln, reagieren darauf sehr empfindlich.“ In seine Studie fließen deshalb zum Beispiel auch Messungen der Wiener Luftqualität ein.

Ältere oft kränker eingeschätzt

„Um erklären zu können, wann und warum genau eine Krankheit entsteht, muss man Menschen über lange Zeit begleiten und regelmäßig Untersuchungen durchführen“, erklärt Hartl. „Deswegen fangen wir schon bei Sechsjährigen an und machen mit ihnen dieselben Untersuchungen wie mit den 70-Jährigen.“

Die Studie zeigt, dass Lungenfunktionsstörungen einerseits weit häufiger sind, als von der WHO bisher vermutet, und sich andererseits schon im Kindesalter abzeichnen. Besonders alarmierend war der Gesundheitszustand der bisher untersuchten Kinder: Über acht Prozent der sechs- bis 24-jährigen Untersuchten zeigten im Lungenfunktionstest Einschränkungen, 3,5 Prozent wiesen irreversible Schäden auf.

„Lungenerkrankungen werden bei jungen Menschen deutlich unterschätzt“, sagt Burghuber. Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass man schon die Lunge bei Schulkindern genau ansehen müsse, nicht erst die des 40-jährigen Rauchers. Ältere Menschen werden dagegen kränker eingeschätzt, als sie tatsächlich sind.

Was die Ergebnisse noch zeigen: Menschen, denen leicht die Luft weg bleibt, haben viel häufiger zusätzliche Krankheiten im Vergleich zu Menschen mit völlig gesunden Lungen. Bluthochdruck ist etwa dreimal so häufig, ebenso andere Herz-Kreislauferkrankungen. Auch Diabetes, Krebs und Osteoporose sind wahrscheinlicher. Ob es hier auch einen kausalen Zusammenhang gibt, ist allerdings noch unklar.

Eine Hoffnung ist: Wenn schon junge Menschen untersucht würden und über den Zustand der eigenen Lungen besser Bescheid wüssten, könnte das etwa beeinflussen, welchen Beruf sie ergreifen und ob und wie viel sie rauchen. Oder ob sie es doch lieber lassen.

LEXIKON

COPD, die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, ist die häufigste Erkrankung der Lunge – und ihre Häufigkeit nimmt zu. Schon bald könnte sie an dritter Stelle der Todesursachen in der westlichen Welt stehen. Eine bestimmte Ursache kennt man nicht, aber einige Risikofaktoren. Dazu gehört vor allem das Rauchen. Mit der Luft eingeatmete Schadstoffe führen zu chronischer Entzündung und Verengung der Bronchien. Verringerte Sauerstoffaufnahme und Atemnot sind die Folge. Rückgängig zu machen sind die entstandenen Schäden nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.