Gen-Scheren kommen in die Klinik

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Ein erster Test zur Krebsbekämpfung mit der Crispr-Technik in China könnte einen Wettlauf des Landes mit den USA einläuten, der an den der Raumfahrt erinnert.

Erstmals hat ein chinesisches Team um den Onkologen Lu You (Chengdu) einem Patienten mit aggressivem Lungenkrebs Immunzellen injiziert, die mit dem neuesten gentechnischen Verfahren so verändert wurden, dass sie die Tumorzellen attackieren sollen. Das Verfahren heißt Crispr, es kombiniert eine Gen-Schere mit einem molekularen Scout, der exakt an die erwünschte Stelle im Genom führt. Dort wird dann etwas herausgeschnitten, im konkreten Fall das Gen, das für die Produktion des Proteins PD-1 sorgt, das wieder bremst Immunzellen so ein, dass sie Tumorzellen nicht attackieren.

Theoretisch sollten sie das, wenn PD-1 ausgeschaltet ist. Es wird sich vielleicht an dem ersten Patienten – und neun weiteren, die folgen – weisen, der Test geht aber nicht auf Wirksamkeit, sondern auf Sicherheit: Er soll klären, ob Crispr keinen Schaden anrichtet. Das hat sich in zwei anderen Fällen schon gezeigt, in ihnen kamen andere Genscheren zur Anwendung, eine brachte einem leukämiekranken Kind in England Erleichterung, eine andere befreite Opfer von HIV (zumindest so weit, dass sie keine Medikamente mehr nehmen müssen).

Wie einst bei Sputnik

Crispr ist die einfachste und effizienteste dieser Techniken, auch viele US-Forscher setzen auf sie, etwa Carl June, Immuntherapeut an der University of Pennsylvania, er beurteilt den Vorstoß der chinesischen Kollegen und Konkurrenten so: „Ich glaube, es wird einen ,Sputnik 2.0‘ auslösen, ein biomedizinisches Duell zwischen China und den USA“ (Naturenews 15. 11.). June lobt den Wettlauf, lässt aber auch Enttäuschung durchklingen, er will an ähnliche klinische Tests für verschiedene Tumore gehen, aber die Genehmigung in den USA braucht länger, sie soll im nächsten Frühjahr vorliegen.

Die Tests sollen auch zeigen, ob die neue Technik bessere Erfolge bringt als eine alte, bei der man PD-1 nicht gentechnisch ausschaltet, sondern mit Antikörpern. Die kann man in großen Zahlen und gleichbleibender Qualität erzeugen. Immunzellen hingegen müssen erst Patienten entnommen und dann mit Crispr modifiziert werden.

Das ist in den notwendigen enormen Zahlen schwierig, aber es ist noch die einfachere Variante: ex vivo. Mit der kann man (vielleicht) alles behandeln, was mit Blut zu tun hat, man denkt auch an dessen eigene Krankheiten, Sichelzellenanämie etwa. Aber viele andere Leiden brauchten eine Therapie in vivo: Bei der muss das Crispr-Konstrukt in den Körper hinein und dort zu kranken Zellen finden, mit der Hilfe von Genfähren, Viren (der Crispr-Scout leitet nur innerhalb des Genoms). Zunächst an Mäusen und dann auch an Affen ist das Fjodor Urnov (Washington) gelungen, wieder an einer Krankheit des Bluts – Hämophilie –, die aber in ihm nicht heilbar ist. Sondern in der Leber, die produziert einen Gerinnungsfaktor. Bei der Krankheit fällt er aus, weil das Gen mutiert ist, Crispr konnte korrigieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)

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