Spülen, ohne den Betrieb zu stören

Nebenbahn der �BB im Tunnel
Nebenbahn der �BB im Tunnel(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Automatisierung. Damit Züge ungehindert fahren können, sollen künftig Roboter beim Reinigen von Drainagen in Tunnels assistieren. Schon in ersten Versuchen gelang ein „Spül-Weltrekord“.

Roboter sollen dem Menschen in nicht allzu ferner Zukunft allerlei unangenehme Arbeiten abnehmen. Und auch solche, die er selbst gar nicht erledigen kann: etwa in Drainagerohre in einem Tunnel schlüpfen und dort nach dem Rechten sehen. Lagert sich hier nämlich Sinter, ein Gemisch aus Kalk und anderen Mineralien ab, kann das Rohr verstopfen. Dann bahnt sich das Wasser einen anderen Weg und kann den Tunnel beschädigen, im schlimmsten Fall sogar seine Betonverkleidung zerstören.

„Ohne Drainagen würde ein Tunnel den Kräften des Wassers überhaupt nicht standhalten können“, erklärt Roman Heissenberger, Fachreferent für Tunnelbau bei der ÖBB Infrastruktur. Schon wer einen Ball ins Wasser drücke, merke am Widerstand, welchen Druck dieses aufbauen könne. Daher verläuft links und rechts außen an der Tunnelschale eine Art Adernsystem, das Sickerwasser auffängt und den Berg entwässert.

Doch wie reinigt man die Rohre aktuell? Je nach Region rücken ein- bis zweimal jährlich eigene Reinigungstrupps an, die die Ablagerungen mit Wasserdruck entfernen. Ihr Spülwagen rollt auf der Schiene in den Tunnel, die Strecke muss also gesperrt werden. Das passiert zwar abends, blockiert den Verkehr aber dennoch für zwei bis drei Nächte – wenn vor allem Frachtzüge ihre Güter pünktlich ans Ziel bringen wollen. „Unser Ziel ist, den Bahnbetrieb während der gesamten Reinigung aufrecht zu erhalten“, sagt Heissenberger.

Mehr Druck als im Autoreifen

Dabei soll schon bald ein Roboter helfen, genauer: ein Roboterkopf, der an der Spitze eines neuartigen Kunststoffschlauchs sitzt. Er leuchtet das Rohr von innen aus, eine Kamera liefert – ähnlich wie bei einer Magensonde, die Ärzte für die Diagnose nutzen – Bilder an die Außenwelt. Digitale Augen, die es bisher nicht gab: „Damit navigieren wir jetzt nicht mehr blind im Rohr“, sagt Florian Saliger, Projektleiter im Bereich Forschung und Innovation. Und dann wird das Tunnelrohr gespült – mit deutlich mehr Kraft als bisher: Statt mit 80 bis 100 Bar strömt das Wasser nun mit 300 Bar durch die Schläuche. Der Druck ist damit 150-mal höher als in einem Autoreifen. Die „Spülweite“ habe sich so von 120 auf 800 Meter erhöht, bei der ÖBB Infrastruktur spricht man gar von einem „Spül-Weltrekord“. Überhaupt würden internationale Tunnelexperten die ersten Versuche im niederösterreichischen Pummersdorfer Tunnel mit großem Interesse verfolgen.

Tatsächlich wird das Thema immer wichtiger, weil die Tunnel immer weiter wachsen – und auch immer länger werden. Insgesamt 360 Kilometer an Drainagenrohren sind etwa allein für den Brennerbasistunnel vorgesehen. In Österreich sollen bis zum Jahr 2026 etwa 1100 Kilometer an Drainagenrohren verbaut werden.

Im Pummersdorfer-Tunnel führen Schächte von außen in das Rohrsystem der Umfahrung. Dadurch sind die Drainagen – ähnlich wie Abzweigungen einer Rohrpost – einfach zugänglich. Für 1000 bis 2000 Meter hohe Berge müsse man sich freilich andere Lösungen überlegen, sagt Heissenberger. Das ist aber nur eine der Herausforderungen an die künftige Entwicklungsarbeit. „Die Sensorik könnte fix im Rohr verbaut sein und Versinterungen rechtzeitig melden“, meint etwa Saliger. Oder bessere Rohrmaterialen oder Rezepte, die die Chemie des Wassers verändern, könnten Ablagerungen überhaupt verhindern, ergänzt Heissenberger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2016)

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