Wie ein Kind das Gehirn der Mutter umbaut

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In der Schwangerschaft werden ganze Regionen im weiblichen Kopf so umstrukturiert, dass Mütter nach der Geburt ihren Kindern deren Bedürfnisse besser ablesen können.

Das Gehirn bleibt nicht ein Leben lang das gleiche, es wird wieder und wieder umgebaut, zum ersten Mal schon im Fötus. In dem werden Gehirnzellen zunächst im Überschuss produziert und dann, kurz vor der Geburt, stark reduziert. In manchen Regionen werden 70 Prozent der Zellen in den Tod geschickt (Apoptose), es geht um die Stärkung gelungener Verbindungen (Synapsen) und das Ausscheiden misslungener. Von diesem Umbau bemerkt man natürlich nichts, in der zweiten Runde ist es anders, sie kommt mit der Pubertät. Nun sorgen Geschlechtshormone für neue Strukturen (und neue Verhaltensweisen), es ist in der Fachliteratur wohl dokumentiert.

Aber zur dritten Runde, die nur manche von uns erleben, gibt es fast nichts, obwohl dort Hormone ins Blut und ins Gehirn schießen wie nie zuvor und nie danach: In der Schwangerschaft werden Frauen etwa mit mehr Östrogen überflutet als im ganzen restlichen Leben zusammen. Aber die Schwangerschaft ist in der Biologie, in der doch alles um Reproduktion geht, eigenartig unterbelichtet, erst vor zehn Jahren fiel etwa auf, dass das Rückgrat von Frauen anders gebaut ist, weil sie in der Schwangerschaft die Last im Bauch ausbalancieren müssen (Nature 450, S. 1075).

Bei werdenden Vätern tut sich nichts

Und in das Gehirn Schwangerer schaute man bisher kaum hinein, zumindest nicht mit bildgebenden Methoden. Das hat nun Oscar Vilarroya (Uni Barcelona) getan, er hat ein zwar kleines, aber breites Sample von Testpersonen in die Magnetresonanzröhre gebeten: 25 Frauen, die zum ersten Mal schwanger waren, ihre Männer, und zum Vergleich ebenso viele nicht schwangere Frauen und deren Männer.

Die Veränderung durch die Schwangerschaft beschränkte sich auf die Frauen – in den Gehirnen ihrer Männer tat sich nichts –, aber dort war sie deutlich bemerkbar. Wieder wurden Teile des Gehirns abgebaut, offenbar zu dem Zwecke, dass der Rest sich auf die kommenden Aufgaben vorbereiten konnte: Betroffen waren Regionen des präfrontalen Cortex und des Temporallappens, beide tragen zum Gedächtnis bei, zu Emotionen auch.

Und beide wurden in sich und mit anderen so verschaltet, wie man es bei der „Theory of mind“ kennt: Das ist die Fähigkeit, einen anderen als anderen zu erkennen und anzuerkennen und sich in sein Denken und Fühlen hineinzuversetzen. Darauf konzentrieren sich die Gehirne Schwangerer, und diese neuen Strukturen bleiben erhalten, mindestens zwei Jahre lang: Da wurden die nunmehrigen Mütter wieder in die Röhre gebeten, diesmal zeigte man ihnen Fotos von Kleinkindern, die der eigenen und die von anderen. Bei den eigenen wurden die Regionen aktiv, die in der Schwangerschaft aktiviert worden waren (Nature Neuroscience 19. 12.). „Der Befund deutet auf eine Anpassung zum besseren Bemerken der Bedürfnisse eines Kinds“, resümiert Vilarroya.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2016)

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