Schimpansen sind nicht hilfsbereit

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Experimente zeigen: Unsere nächsten Verwandten zeigen keine Tendenz, einander zu helfen. Sie scheinen aber auch nicht boshaft zu sein.

Schimpansen stehen einander in Konflikten bei, sie kraulen und lausen einander, teilen Nahrung: Viele Beobachtungen legen nahe, dass die Affen, die uns – neben den Bonobos – am nächsten stehen, altruistisch handeln. Aber tun sie's wirklich aus Altruismus? Mit der Absicht, einem anderen zu helfen? Experimente, die dafür sprechen, sind umstritten: Kritiker vermuten, dass die Affen aus anderen Motiven, etwa aus Spielfreude, tun, was nach Nächstenliebe aussieht.

Forscher aus Birmingham, Manchester und Leipzig suchten solche Motive auszuschließen, indem sie zwei Gruppen von Affen verglichen: Die einen („Go“) konnten drei nicht mit ihnen verwandten Artgenossen – Männchen ungefähr desselben Alters, um persönliche Interessen zu minimieren – über einen Mechanismus die Tür zu einer Box mit geschälten Erdnüssen öffnen, die anderen („No Go“) konnten sie ihnen verschließen. In einem ersten Experiment hatten die Akteure keine Erfahrung mit dem Mechanismus, in einem zweiten lernten sie zuerst, wie er funktioniert, indem sie sich selbst Zugang zu den Nüssen verschaffen konnten. (Ob sie den Mechanismus im ersten Experiment verstanden, scheint übrigens fraglich.)

Evolution des Altruismus

In beiden Experimenten bedienten die Schimpansen in beiden Gruppen den Mechanismus anfangs öfter, dann erlahmte das Interesse offensichtlich schnell. Es gab aber keinen Unterschied zwischen der Go- und der No-Go-Gruppe. Es scheint also, dass die Affen ihresgleichen weder helfen noch schaden wollen, das ist ihnen schlichtweg egal. „Sie nahmen keine Rücksicht auf die sozialen Folgen ihrer Handlungen“, schreiben die Forscher (Nature Communications, 20. 12.): Die Schimpansen seien offenbar weder altruistisch noch boshaft („spiteful“).

Diese Indifferenz unserer nächsten Verwandten wirft ein neues Licht auf die Entstehung des Altruismus, der bei uns Menschen ja sehr ausgeprägt ist (wie auch seine dunkle Kehrseite, die Grausamkeit). Es scheine, dass er sich erst nach der Auseinanderentwicklung unserer Vorfahren und jenen der Schimpansen entstanden ist, meint Keith Jensen (Uni Manchester). Dieses Ergebnis steht im Kontrast zum langjährigen Trend, immer weniger Unterschiede zwischen Affen und Menschen zu sehen, manifestiert in Buchtiteln wie „Der nackte Affe“ oder „Der dritte Schimpanse“.

Wie sieht es bei anderen Affen aus? Bei den Bonobos, die uns genauso nahe stehen wie die Schimpansen, gebe es bisher nicht einmal Hinweise darauf, dass sie aktiv Nahrung teilen, schreiben die Biologen. Die stärksten Anzeichen für altruistisches Verhalten gebe es bei – uns gar nicht nahe verwandten – Neuweltaffen, bei denen sich auch andere Erwachsene als die Eltern um die Jungen kümmern (Alloeltern). Das lege nahe, dass gemeinsame Betreuung von Kindern eine Triebkraft der Evolution von prosozialem Verhalten sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 2.12.2016)

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