Hatte Stradivari Geheimwissen der Chemie?

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In seinen Instrumenten wurde ein Cocktail von Metallen gefunden, in denen das Holz gebadet wurde.

„With years a richer life begins / The spirit mellows / Ripe age gives tone to violins, / Wine, and good fellows.“ In diese Verse fasste Townsend Trowbridge (1827–1916) die Erfahrung, dass Streichinstrument und Wein, roter zumindest, mit den Jahren reifen. Abgedruckt war das Gedicht in „The Strad“, einer Fachzeitschrift für Streichmusiker, deren Titel allein schon anzeigt, welche Verehrung der Meister aller Geigenbauer genießt: Antonio Stradivari. Allenfalls sein Nachbar Giuseppe Guarneri konnte mithalten, auch er arbeitete vor etwa 300 Jahren in Cremona.

Damals herrschte die Kleine Eiszeit, und manche wollen die singuläre Qualität der Instrumente der Meister von Cremona damit erklären: Die Kälte habe die Jahresringe der Bäume dünn gehalten. Aber die Kleine Eiszeit herrschte nicht nur in den Wäldern um Cremona. Deshalb kam früh schon die Vermutung auf, Stradivari et al. hätten ihr Holz besonders behandelt: Seit 1976 hegte Joseph Nagyary (Texas A & M University) den Verdacht, das Holz sei mit harter Chemie vor Wurmbefall geschützt worden, 2009 konnte er ihn bestätigen: Er fand einen Cocktail von Chemikalien, darunter Borax – damit hatten schon die Ägypter ihre Mumien geschützt.

„Unübliche chemische Würze“

Wie das auf den Klang durchschlagen soll, blieb ungeklärt. Das ist auch ein Problem eines neuen Chemikalienfundes: In Instrumenten von Stradivari ist Hwan-Ching Tai (Taipeh) auf verschiedenste Metalle gestoßen, von Aluminium über Kupfer bis Zink: „Diese Art des chemischen Würzens war eine unübliche Praxis, und späteren Generationen von Geigenbauern blieb sie unbekannt“ (Pnas 19. 12.). Wozu die Metalle gedient haben, bleibt unklar, fest steht nur, dass Stradivari ein Geheimwissen hatte, das verstärkt den Mythos.

Und es passt dazu, dass der gute Ruf der Cremoneser Meister sich vor allem auf den Ruf selbst stützt: Bei Vergleichstests landeten moderne Instrumente ganz vorn, Stradivari/Guarneri am Ende: Der Klang der Namen bringt den der Instrumente, aber er allein bringt die Wertschätzung auch nicht, sondern, wie bei altem Wein, der Wert: Die teuerste Geige wurde 2011 um 15,9 Millionen Pfund versteigert, es war eine Stradivari.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2016)

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