Salamander vergessen auch im tiefsten Winterschlaf nichts

(c) Johannes Hloch/Uni Wien
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Anders als Säugetiere, die sich nach dem Erstarren erst wieder in ihre einst vertraute Umwelt einlernen müssen, bleibt Amphibien das Gedächtnis wohl erhalten. Eine internationale Gruppe hat es gezeigt, mit dabei war Ludwig Huber von der Vet-Med Wien.

„Viele glauben, dass der Bär den ganzen Winter dadurch überlebt, dass er an seinen Pranken saugt. Es ist anerkannt, dass er beim Verlassen seiner Ruhestatt so schlank ist, dass er es zweimal versuchen muss, bevor er einen Schatten werfen kann.“ So beschrieb Ambroce Bierce in seinem „Devil's Dictionary“ eines der frappierendsten Phänomene der Tierwelt, den Winterschlaf bzw. die Kältestarre (lat. Torpor), mit der sich viele Tiere durch die eisige und nahrungsarme Zeit bringen.

Bierce übertrieb natürlich, gar so schlank werden auch Bären nicht, die bekanntesten aller Winterschläfer. Sie schlafen durch, aber nicht sehr tief, senken die Körpertemperatur nur auf 35 Grad (von 37). Die echten Meister des Winterschlafs halten es anders: Murmeltiere fahren ihre Temperatur auf fünf Grad herab, arktische Hörnchen gar auf nahe null, ihr Herz schlägt dann noch zwei, drei Mal statt der üblichen 200 Mal. Das bringt Probleme bei der Versorgung mit Sauerstoff, die Winterschläfer haben viele Tricks zum Bewältigen entwickelt, alle ihre Organe funktionieren nach dem Erwachen bestens.

Konserviert die Kälte die Erinnerung?

Nur eines nicht, das Gehirn: In dem werden im Torpor viele Synapsen abgebaut, und bis die nach dem Erwachen wieder da sind, dauert es: Das Gedächtnis leidet durch den langen Schlaf, eine Gruppe um Eva Millesi (Uni Wien) hat es vor Jahren an Zieseln bemerkt: Die wachen zwar, wie andere im tiefen Torpor, periodisch auf, es dient vermutlich dem Stärken des Gehirns; aber es reicht nicht, sie verlieren viel von ihrer Erinnerung an den Raum, in dem sie sich vor dem Einschlafen bewegt haben (J. Biol. Rhythms 16, S. 264).

Vermutlich ist es bei anderen Säugetieren auch so. Aber nicht nur Säuger fallen in Torpor, andere tun es auch, Amphibien etwa, viele von ihnen lassen sich im Winter einfrieren, dann brauchen sie noch extra Frostschutz. Und sie können nicht periodisch erwachen, sie bleiben erstarrt, bis die Sonne sie wieder wärmt. Wissen sie dann noch, wo sie einst Futter gefunden haben und Schutz vor hungrigen Mäulern?

Eine internationale Gruppe hat es getestet, an Feuersalamandern, mit dabei war Ludwig Huber (Messerli Research Institute, MedVet Wien): Zwölf in Gefangenschaft aufgezogene Individuen lernten zuerst, wo in einem Labyrinth es Futter gab. Dann wurden sechs davon in den Torpor geschickt, man kühlte sie auf vier Grad und hielt sie hundert Tage so. Die anderen sechs dienten der Kontrolle, und sie fanden sich, als es nach den hundert Tagen wieder in das Labyrinth ging, bestens zurecht. Das taten aber auch die, deren Gehirn hundert Tage Zwangsruhe gehabt hatte: Sie orientierten sich genau so gut wie die anderen, es lag am Gedächtnis, die Forscher können ausschließen, dass das Futter etwa errochen wurde (Scientific Reports 11. 1.).

Wie dieses Mirakel zustande kommt, ist unklar, die Gehirne von Amphibien sind anders gebaut als die von Säugetieren. Es kann aber auch daran liegen, dass Amphibien eben überhaupt nie erwachen in der Kältestarre: „Es würden damit quasi alle Körperfunktionen dauerhaft stabilisiert.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2017)

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